BÖRSENKOLUMNE

Eine Welt mit Trump und Le Pen

von Redaktion

Die turbulenten Ereignisse der letzten Wochen haben uns dazu bewogen, die politischen Rahmenbedingungen neu zu bewerten. Obwohl mit Joe Bidens Verzicht auf eine Kandidatur die Chancen der Demokraten (wohl mit Kamala Harris) auf die US-Präsidentschaft gestiegen sind, gehen wir nun von einem Sieg Donald Trumps aus, da es Harris nicht gelingen dürfte die notwendigen Mehrheiten in den Swing-Staaten zu erringen. Zudem dürften trotz der klaren Wiederwahl Ursula von der Leyens als EU-Kommissionspräsidentin die anstehenden Wahlen in Europa zu einer Stärkung der extremen politischen Lager führen. 2027 dürfte dies in der Wahl von Marine Le Pen zur französischen Präsidentin gipfeln.

Die zweite Trump-Präsidentschaft würde eine Zäsur der zugrundeliegenden Parameter unserer Wirtschafts- und Finanzmarktprognosen ab 2025 darstellen. Dies haben wir in unseren aktualisierten Fünfahres-Prognosen berücksichtigt. Während sich die USA zunächst aufgrund von Steuererleichterungen noch gut behaupten dürften, wird der von den USA ausgehende Impuls höherer Zölle den Inflationsdruck weltweit erhöhen und relativ höhere (Zentralbank-) Zinsen zur Folge haben, was den Immobiliensektor belasten wird. In Kombination mit den negativen Effekten einer restriktiven Einwanderungspolitik werden dann auch die USA Wachstumseinbußen durch die Trump-Agenda hinnehmen müssen.

Hauptleidtragende der protektionistischen US-Politik werden der Systemrivale China und die EU (vor allem das exportorientierte Deutschland) sein. Europa wird zusätzlich durch die zu erwartende geopolitische US-Kehrtwende belastet. Dies betrifft besonders die US-Unterstützung der Ukraine in der Verteidigung gegenüber Russland und eine Reduktion des US-Engagements in der Nato (wenn auch kein Austritt). Entgegen der Hoffnung Trumps wird es durch die Maßnahmen aber kein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine geben. Darauf dürfte die EU in einem ersten Schritt mit gemeinschaftlich finanzierten Verteidigungsprojekten reagieren. Mit der Wahl Le Pens in Frankreich wird aber das Kapitel Vergemeinschaftung wohl bis auf Weiteres geschlossen werden. Im Kampf gegen China werden die USA unter Trump nicht mehr auf Allianzen setzen, sondern auf die Dominanz der USA. Dabei werden sie bisherige Partner unter Druck setzen, damit diese ihrerseits die Beziehungen zu China anpassen. Dadurch wird die internationale Zusammenarbeit durch eine protektionistischere US-Regierung und einen erratisch agierenden Präsidenten schwieriger werden.

Im Vergleich zum Beginn der ersten Trump-Präsidentschaft, als die großen Zentralbanken eine ultralockere Politik betrieben und die Kapitalmarktzinsen sehr niedrig waren, ist die Situation heute ganz anders. Wie jüngst in Frankreich zu sehen, reagieren die Finanzmärkte allergisch auf eine Politik, die die Schuldentragfähigkeit gefährden könnte. Steuersenkungen auf Pump dürften daher für Trump ohne einen deutlichen Risikoaufschlag für US-Staatsanleihen nicht mehr realisierbar sein. Damit überwiegen die protektionistischen Maßnahmen, die auch den börsennotierten US-Unternehmen zu schaffen machen sollten. Insgesamt gehen wir davon aus, dass die (wirtschaftliche) Welt mit Trump noch unsicherer wird, aber nicht untergeht; zugleich ist mit dem Wegfall der günstigen Verschuldungsmöglichkeit eine erneute Trump-Rallye an den Märkten sehr unwahrscheinlich.

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