Das Recht auf der Straße

von Redaktion

Engpässe kann es auch in der Autowerkstatt geben. Wenn das Auto dann nicht rechtzeitig fertig wird, muss die Versicherung den Mietwagen unter Umständen auch länger zahlen. © Benjamin Nolte, dpa

■ Wenn die Werkstatt länger braucht

Das sogenannte Werkstattrisiko liegt nach einem Unfall in der Regel beim Verursacher und dessen Kfz-Versicherung. Das bedeutet: Dauert die Reparatur des eigenen Autos nach einem unverschuldeten Unfall länger, müssen anfallende höhere Kosten für den Mietwagen von dem Versicherer komplett beglichen werden. Das zeigt eine Entscheidung des Landgerichts Bonn, auf die der ADAC hinweist (Az.: 17 O 102/23).

Der Fall: Ein Reisebus war an einem nach Vorschrift abgestellten Auto am Straßenrand vorbeigefahren und hatte es gestreift. Der betroffene Autofahrer forderte Schadenersatz von der gegnerischen Versicherung und reichte dafür ein Gutachten ein. Dieses vermerkte unter anderem eine Dauer der Reparaturarbeiten von acht bis neun Tagen. Am Ende kam das Auto aber erst nach 18 Tagen aus der Werkstatt. Für diesen Zeitraum forderte der Autofahrer den vollen Ersatz der Mietwagenkosten. Die Versicherung des Unfallverursachers indes zahlte nur neun Tage und berief sich auf das vorherige Gutachten. Ihre Argumentation: Dauert die Reparatur länger, sei dies das Risiko des Geschädigten.

Das Urteil: Vor Gericht bekam der Autofahrer Recht. Das Gutachten kalkulierte die Reparaturdauer unter der Voraussetzung eines ungestörten Ablaufes. Wenn nun durch Krankenstände ein längerer Zeitraum entstand, könne das nicht zulasten des Autofahrers gehen. Entsprechend musste der Versicherer die Mietwagenkosten für die vollen 18 Tage zahlen.

■ Wie lange das Überholen dauern darf

Sogenannte Elefantenrennen kennen die meisten, die auf Autobahnen unterwegs sind: Ein Lkw benötigt gefühlte Ewigkeiten auf der linken Spur, bis er an anderen Lastern vorbeigezogen ist. Da braucht es Geduld von allen, die währenddessen dahinter feststecken. Gut zu wissen: Solche Überholmanöver sind eigentlich nur erlaubt, wenn der Überholende mit wesentlich höherem Tempo als der Überholkandidat fährt.

Ein Verstoß ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die Differenzgeschwindigkeit weniger als 10 km/h beträgt, teilt der ADAC mit. Doch wie weist man das nach? Ein Gerichtsbeschluss zeigt: Beruht der Vorwurf auf den Angaben eines Zeugen, muss genau erörtert werden, auf welcher Grundlage der eigentlich die Überholzeit eingeschätzt hat. Ein Gefühl allein reicht dann nicht aus, so ein Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts, auf den der Automobilclub in dem Zusammenhang hinweist (Az.: 202 ObOWi 90/24).

Der Fall: Einem Lkw-Fahrer wurde vorgeworfen, mit seinem Sattelzug auf der Autobahn zwei vor ihm fahrende Fahrzeuge zu langsam überholt zu haben. Für das Manöver hat er nach Angaben eines Polizisten, der die Situation beobachtet hatte, mehr als eine Minute benötigt, wodurch sich der dahinter rollende Verkehr staute. Bei einer Differenzgeschwindigkeit von 10 km/h hätte der Überholvorgang den Angaben zufolge nur 45 Sekunden gedauert. So lautete der Vorwurf an den Mann, einen zu geringen Tempounterschied beim Überholen gehabt zu haben. Zudem hätte er beim Wiedereinscheren auf die rechte Spur den Mindestabstand nicht eingehalten. Was folgte, war ein Bußgeldbescheid in Höhe von 200 Euro und ein Monat Fahrverbot. Der Betroffene bestritt die Vorwürfe und legte Einspruch ein. Doch das Amtsgericht in erster Instanz verurteilte den Lkw-Fahrer zunächst, wogegen er Rechtsbeschwerde einlegte – mit Erfolg.

Das Urteil: Das Bayerische Oberste Landesgericht gab der Beschwerde statt. Dessen Ansicht nach wurde nicht hinreichend klar bewiesen, dass die Ordnungswidrigkeiten begangen wurden. Es wurde demnach nicht dargelegt, wie der Zeuge, der Polizist, die Schätzung vorgenommen habe. Eine rein gefühlsmäßige Einschätzung reicht nicht aus.

■ Getuntes Motorrad weg: Wer zahlt?

Auch ein nach Umbau nicht mehr für den Straßenverkehr zugelassenes Fahrzeug kann Kaskoschutz genießen. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle, auf das der Deutsche Anwaltverein (DAV) hinweist (Az.: 11 U 109/22).

Der Fall: Es ging um eine Harley-Davidson, für die eine Kaskoversicherung abgeschlossen wurde. Nach umfangreichen Umbauten war das Motorrad nicht mehr für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen. Die Maschine wurde gestohlen, worauf die Klägerin von ihrer Versicherung den Wiederbeschaffungswert ersetzt bekommen wollte. Doch diese verweigerte die Zahlung. Das Argument der Versicherung: Der zuvor geschlossene Vertrag sei nichtig, weil die Maschine nicht mehr für den Verkehr zugelassen sei. Die Sache ging vor Gericht.

Das Urteil: Die Richter stellten klar: Es gebe kein Gesetz, das verbietet, eine Kaskoversicherung für nicht zugelassene Fahrzeuge abzuschließen. Selbst der Fakt, dass die Maschine nicht verkehrssicher gewesen war, hebt den Vertrag nicht auf. So habe die Klägerin Anspruch auf die Erstattung des vollen Wiederbeschaffungswertes, entschied das Oberlandesgericht.

■ Mitschuld bei Unfall mit dem Bus?

Wer gegen das Vorfahrtrecht verstößt, muss nach einem Unfall generell haften. Im Einzelfall aber kann derjenige mit Vorfahrt mithaften – allerdings nur mit guten Gründen. Das zeigt ein Urteil des Amtsgerichts Bremerhaven, auf das der ADAC hinweist (Az.: 52 C 1266/23).

Der Fall: Es ging um einen Autofahrer, der mit seinem Pkw von einem Parkplatz auf eine vorfahrtsberechtigte Straße fahren wollte. An dieser Stelle machte die Straße einen leichten Rechtsknick. Als die Vorderräder des Autos bereits auf der Straße waren, kollidierte ein herannahender Linienbus mit dem Fahrzeug. Eine Frau im Bus verletzte sich bei dem Unfall und forderte Schadenersatz, den die Versicherung des Unfallverursachers aber nur anteilig zahlte. Die Versicherung argumentierte, dass die Busfahrerin den Unfall hätte verhindern können. Da die Straße dort einen Knick macht, wäre ein Ausweichen möglich gewesen – zumal das betreffende Auto erkennbar auf die Straße geragt hatte. Die Busfahrerin hätte laut der Versicherung nicht auf ihr Vorfahrtrecht beharren dürfen.

Das Urteil: Das Gericht sprach dem Autofahrer die Alleinschuld zu. Entsprechend musste dessen Kfz-Versicherung voll zahlen. Zur Begründung hieß es vom Gericht: Trotz des Knicks in der Fahrbahn sei es dem Bus weder möglich gewesen, hier auszuweichen, noch entsprechend abzubremsen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass ein Bus ein recht schwerfälliges Gefährt sei.

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