Sebastian P.: „Meine Mutter ist verstorben. Ihre Eltern – meine Großeltern – leben noch und haben ein weiteres Kind, meinen Onkel. Nach dem Tod meiner Mutter habe ich Anspruch auf den Pflichtteil meiner Großeltern. Diese haben kürzlich Immobilien an meinen Onkel gegen Nießbrauch verschenkt, um meine späteren Pflichtteilsansprüche zu reduzieren. Bis zum Ablauf einer Zehn-Jahres-Frist würde die Immobilie nur noch anteilig in die Erbmasse einfließen, später gar nicht mehr. Meine Oma zeigt seit Jahren zunehmende Demenz, und ich bezweifle, dass sie bei der Schenkung voll geschäftsfähig war. Ich frage mich, ob die Schenkung später im Erbfall überprüft werden kann oder ob ich bereits jetzt Möglichkeiten habe, sie anzufechten, um die Erbmasse nicht zu schmälern.“
Soll ich die Schenkung anfechten?
Ihre Frage berührt drei interessante Gesichtspunkte:
1. Den Pflichtteil den Enkelkindes: Normalerweise hat ein Enkelkind keinen Pflichtteil, anders ist dies aber, wenn der eigene Elternteil schon verstorben ist, dann tritt man in dessen Fußstapfen. So ist es in der Tat bei Ihnen so, dass Sie beim Ableben jedes Ihrer beiden Großeltern mütterlicherseits einen Pflichtteilsanspruch haben.
2. Das Recht der Pflichtteilsergänzung: Damit der Pflichtteil nicht allzu leicht durch Schenkungen zu Lebzeiten umgangen werden kann, hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass Schenkungen aus den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall beim Pflichtteil berücksichtigt werden, und zwar nach dem sogenannten Abschmelzungsprinzip: Verstirbt der Schenker binnen eines Jahres nach der Schenkung, so wird die Schenkung voll berücksichtigt, verstirbt er im Jahr danach zu 90 Prozent usw., bis es nach zehn Jahren keinen Pflichtteil mehr gibt. Aber hiervon gibt es eine wichtige Ausnahme, die auch in Ihrem Fall eingreift: Hat sich der Schenker wichtige Rechte, vor allem den Nießbrauch, vorbehalten, so läuft diese Abschmelzungsfrist nicht an. Das bedeutet, dass Sie auch dann noch einen Pflichtteil aus den Schenkungen haben, wenn mehr als zehn Jahre verstrichen sein sollten.
3. Die Frage der Geschäftsfähigkeit: Verschenken kann nur jemand, der geschäftsfähig ist. Bei einer Altersdemenz hängt es dabei von den Einzelheiten ab, ob noch Geschäftsfähigkeit vorliegt oder nicht. Solange der Erbfall nicht eingetreten ist, sind Sie allerdings als Außenstehender nicht berechtigt, dies gerichtlich überprüfen zu lassen. Sie könnten lediglich beim Betreuungsgericht anregen, dass ein Betreuer bestellt wird, um diese Frage zu prüfen. In der Regel wird das Gericht dem allerdings nicht nachgehen, weil es sich um einen innerfamiliären Vorgang handelt.
Erst nach dem Erbfall könnten Sie geltend machen, dass die verschenkte Immobilie wegen Unwirksamkeit der Schenkungen zum Nachlass gehört. Aber natürlich wird die Beweislage in der Regel immer schwieriger, wenn viel Zeit verstrichen ist. Erfreulicherweise ist diese Frage für Sie allerdings nicht ganz so wichtig, weil es ja, wie oben geschildert, das Recht der Pflichtteilsergänzung gibt, welches ohnehin aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs eingreift.
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