Was dynamische Stromtarife bringen

von Redaktion

Wer zu Hause viel Strom verbraucht, etwa, weil er sein Auto auflädt, für den kann es sich lohnen zu flexiblen Tarifen zu wechseln. Das gilt vor allem, wenn man keine PV-Anlage hat. © IMAGO

Für die meisten Stromkunden ist heute nur eines wichtig: dass der Strom aus der Steckdose kommt, wenn er gebraucht wird. Da der Preis für jede Kilowattstunde morgens, mittags oder nachts gleich bleibt, spielt Sparsamkeit bei der Wahl des Verbrauchspunktes keine Rolle. Das ändert sich jedoch, wenn dynamische Stromtarife erst einmal eine weite Verbreitung finden. Bei diesen Tarifen ändert sich der Strompreis in Anlehnung an den Börsenpreis für Strom.

Wie funktionieren dynamische Tarife?

Zusätzlich zum Grundpreis bezahlen Stromkunden heute in der Regel einen festen Arbeitspreis von beispielsweise 30 Cent pro Kilowattstunden Strom. Bei dynamischen Tarifen wird aus dem Festpreis ein variabler Preis. Dann kann die Kilowattstunde zum Beispiel mal zehn Cent, mal 35 Cent kosten. Wie viel es zu welchem Zeitpunkt kostet, richtet sich nach dem Börsenpreis am „EPEX Spot Markt“. Dort wird der Strom für den Verbrauch des jeweils nächsten Tages gehandelt. So können die Anbieter dynamischer Tarife ihren Kunden den Preisverlauf rechtzeitig bekannt geben. Die dynamischen Tarife sind leicht mit variablen Tarifen zu verwechseln. Letztere passen den Arbeitspreis auch an den Börsenpreis an, aber nur in monatlichen Abständen.

Wie teuer ist ein dynamischer Tarif?

Der Gesamtpreis setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Veränderlich ist nur eine davon, der Börsenpreis. Der Grundpreis ist wie beim herkömmlichen Stromtarif je nach Anbieter unterschiedlich. Der Arbeitspreis enthält zunächst einmal die fixen Kosten, etwa für die Netzdurchleitung, die Stromsteuer sowie eine Marge für den Anbieter. Obendrauf kommt dann der Börsenpreis. Letzterer orientiert sich an der Stromproduktion. Wenn Sonne und Wind besonders viel Ertrag liefern, wird an der Börse mitunter sogar ein negativer Preis festgestellt. Dann zahlen Kunden besonders wenig, durch die fixen Bestandteile aber immer noch etwas für die Lieferung. Die Zeitschrift „Finanztest“ hat in einer Stichprobe für einen Musterkunden im April einen Kilowattstundenpreis von gut zehn Cent ermittelt, als der Börsenpreis bei minus 7,4 Cent lag. In der teuersten Marktphase am späten Abend kostete der Strom dann 36 Cent.

Für wen lohnt sich ein Wechsel?

Vor allzu großen Hoffnungen auf eine kräftige Ersparnis warnen die Verbraucherzentralen noch: „Für normale Haushaltsstromkunden sind die Tarif in der Regel nicht empfehlenswert“. Anders sieht es bei Kunden mit einem sehr hohen Stromverbrauch aus. Wer ein Elektroauto an der Wallbox lädt, eine Wärmepumpe oder eine Solaranlage mit Batteriespeicher betreibt, kann von den flexiblen Preisen profitieren.

Welche technischen Voraussetzungen sind nötig?

Der herkömmliche Stromzähler muss durch ein intelligentes Messsystem, einen sogenannten Smart Meter ersetzt werden. Diese Zähler sind mit dem Internet verbunden, was die zeitgenaue Erfassung des Verbrauchs ermöglicht. Ab 2025 müssen die Betreiber von Stromnetzen diese Zähler auf Wunsch hin innerhalb von vier Monaten einbauen. Für Großverbraucher wird das sogar verpflichtend. Darüber hinaus sind keine technischen Änderungen erforderlich.

Wie groß sind die Unterschiede?

„Finanztest“ hat 20 Tarife gefunden, die ohne Beschränkungen oder Zusatzkäufe abschließbar sind. „Die Preisunterschiede sind enorm“, stellten die Experten fest. Der Musterhaushalt im Test zahlte beim teuersten Anbieter, den Lechwerken, 460 Euro mehr als beim günstigsten, Ostrom. Die Jahreskosten für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden im Jahr lagen zwischen 802 Euro und 1259 Euro. Die Anbieter und Ergebnisse der Untersuchung werden in der September-Ausgabe der Zeitschrift veröffentlicht. Ab 2025 dürfte sich die Auswahl deutlich vergrößern: Die Bundesnetzagentur hat verfügt, dass alle Versorger ab da auch flexible Tarife im Programm haben müssen.

Worauf sollten Kunden achten?

Die Verbraucherzentralen haben eine Checkliste für die Wahl eines dynamischen Tarifs veröffentlicht. Wichtig ist danach, erst einmal eine kurze Laufzeit des Vertrags zu wählen. Dann ist ein schneller Wechsel möglich, wenn es sich nicht lohnt. Auch sollten Interessenten einen Blick auf die Gebühr werfen, die der Anbieter zuzüglich zum Grundpreis erhebt. Das ist der wichtigste Unterschied zwischen den Tarifen. „Vorsicht vor unseriösen Werbeversprechen“, warnen die Experten. Eine in Aussicht gestellte Ersparnis von bis zu 500 Euro im Jahr sei nicht realistisch.

Ist ein dynamischer Tarif gut fürs Klima?

Meistens ja. Niedrige Strompreise zeigen eigentlich immer eine hohe Erzeugung grünen Stroms an, weil Wind und Sonne etwa die teuren Kohle- und Gaskraftwerke aus dem Markt drängen. Sie haben keine Brennstoffkosten und können fossile Kraftwerke deshalb immer unterbieten. Wer sein Auto zu günstigen Sonnen- oder Windzeiten auflädt tankt also nicht nur sehr grünen Strom, sondern senkt auch noch die Nachfrage für Kohlestrom in wind- und sonnenschwachen Phasen. Gleichzeitig senkt das die Strompreise alle.

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