Was man während der Krankschreibung noch tun darf, hängt vom Krankheitsbild ab. Am besten holt man sich eine Bescheinigung beim Arzt. © Christoph Hardt/Imago
Der US-Autobauer Tesla ist in die Kritik geraten, weil er anscheinend kranken Mitarbeitern seines Werks in Grünheide Kontrollbesuche abgestattet hat. Zuvor berichtete das „Handelsblatt“ über die Hausbesuche bei krank geschriebenen Mitarbeitern. Werksleiter André Thierig verteidigte sein Vorgehen: „Wir haben gut 200 Mitarbeiter festgestellt, die sich in der Lohnfortzahlung befinden, aber die in diesem Jahr noch gar nicht arbeiten waren. Sie bringen mindestens alle 6 Wochen neue Krankmeldungen“, sagte Thierig. „Wir haben uns zwei Dutzend Fälle herausgesucht.“ Aus der Belegschaft hätte es zuvor positives Feedback gegeben, weil viele von ihren dauerkranken Kollegen frustriert seien.
Der Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, Dirk Schulze, kritisierte dagegen, Kranke würden unter Druck gesetzt. „Beschäftigte aus fast allen Bereichen des Werks berichteten von extrem hoher Arbeitsbelastung“, sagte er. „Wenn Personal fehlt, werden die Kranken unter Druck gesetzt und die noch Gesunden mit zusätzlicher Arbeit überlastet.“
Dabei drängt sich die Frage auf: Welche Rechte haben Krankgeschriebene?
Darf der Chef Hausbesuche machen?
„Grundsätzlich dürfen Chefs bei ihren Angestellten an der Haustür klingeln, das ist nicht illegal“, erklärt Rechtsanwalt Ulrich Sitard gegenüber dem „Spiegel“. „Die Mitarbeiter müssen ihnen allerdings nicht aufmachen und sie hereinlassen.“ Nicht erlaubt sei aber, einen Detektiv anzuheuern, der die Mitarbeiter auf Schritt und tritt verfolgt: „Das verletzt das Persönlichkeitsrecht.“ In früheren Gerichtsverfahren sind hier schon Schmerzensgeldansprüche festgestellt worden. Laut Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht, sind unangekündigte Hausbesuche „nur unter Wahrung des datenschutzrechtlichen Rahmens“ zulässig. Der Besuch müsse daher für einen berechtigten Zweck „geeignet, erforderlich und verhältnismäßig“ sein. In der Praxis wird das der Arbeitsrechtsexpertin zufolge „allenfalls bei konkretem Missbrauchsverdacht überhaupt in Betracht kommen“ – und auch dann nur, wenn nicht weniger einschneidende Maßnahmen in Betracht kommen.
Darf der Chef anrufen?
Ja, eine Krankschreibung ist kein Kontaktverbot, heißt es von der Rechtsschutz-Sparte der Münchner Allianz-Versicherung. Auch ist es nicht verboten, im Krankenstand zu arbeiten. Kranke Mitarbeiter sind aber nicht verpflichtet, auf Anrufe zu reagieren.
Muss der Chef wissen, warum ich krank bin?
Ganz klar: Nein, das ist Privatsache, heißt es von der IG Metall. Fragen nach dem Gesundheitszustand sind erlaubt, müssen aber nicht beantwortet werden. Der Arbeitgeber darf aber fragen, wie lang die Krankheit wohl andauern wird und ob Bedingungen am Arbeitsplatz daran Schuld sind. Keine Krankheit, aber nach wie vor häufig: Bei Frauen sind Fragen nach Schwangerschaft und Familienplanung tabu.
Können Arbeitgeber die Krankschreibung überprüfen lassen?
Wenn die Krankheitsfälle nach einem außergewöhnlichen Muster anfallen: Ja. Dafür kann sich der Arbeitgeber laut Allianz an die Krankenkasse wenden, die ein Gutachten beauftragt. Das Ergebnis teilt sie dem Arbeitnehmer mit – allerdings ohne das Krankheitsbild preiszugeben. Grundsätzlich gilt es aber als schwierig, Krankmeldungen gerichtsfest anzuzweifeln. Ficht der Arbeitgeber die Krankmeldung an, können Arbeitnehmer zur Verteidigung ihren behandelnden Arzt von seiner Schweigepflicht befreien, damit er die Krankheit bestätigt. Um dessen Attest anzuzweifeln, braucht es allerdings stichhaltige Gründe.
Darf man trotz Krankheit vor die Tür gehen?
Laut Allianz gilt der Grundsatz: Was der Genesung nicht schadet, ist erlaubt. So sollte man mit einer schweren Erkältung nicht in den Skiurlaub fahren. Wer aber unter einer Lungenkrankheit leidet, könnte am Meer oder in den Bergen Linderung erfahren. Wer auf Nummer sicher gehen will, lässt sich vom Hausarzt eine Liste mit möglichen Tätigkeiten ausstellen.
Was passiert, wenn man blaumacht?
Sollte der Arbeitgeber nachweisen können, dass man sich unberechtigt krankgeschrieben hat, droht dem Arbeitnehmer die fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung, warnen die Allianz-Rechtsexperten. Ullrich Sittard warnt sogar vor strafrechtlichen Konsequenzen: „Wer grundlos zu Hause bleibt, sich vor der Arbeit drückt und weiter sein Gehalt kassiert, begeht einen Betrug und das ist bekanntlich eine Straftat.“