Vorsicht bei Finanzflüsterern

von Redaktion

Viele Menschen informieren sich über Geldanlagen im Internet. Zwar haben auch Bankberater meist Verkaufsinteressen, aber sie sind zumindest haftbar. © Antonio Guillem/Imago

Von wegen über Geld spricht man nicht. In sozialen Netzwerken oder großen Videoplattformen im Internet ist das Gegenteil der Fall. Da wird viel über Geldanlagen, Aktien und Kryptowährungen, Altersvorsorge oder Daytrading gesprochen. Allein auf Instagram finden sich 357 Influencer, die Finanztipps geben, so genannte Finfluencer. Sie kommen einer Studie der HHL Leipzig School of Management zufolge auf rund zehn Millionen Follower.

„Wir gehen auf ein Allzeithoch zu“, kommentiert ein junger Mann auf einer Videoplattform live die Kursentwicklung beim Bitcoin. Morgens um zehn Uhr sehen mehr als 2500 Zuschauer zu, wie er sein Vermögen gerade mehrt. Im Chat diskutieren die Fans ihrerseits, wie es weitergeht oder wann man aus Investments wieder aussteigen sollte. Es ist unterhaltsam. Wovon der Finfluencer lebt, erschließt sich erst aus einem Blick auf die Selbstdarstellung. „Dieses Video und seine Beschreibung können als Dauerwerbesendung betrachtet werden“, heißt es da, „jeder Link könnte Werbung enthalten, die den Kanal unterstützt.“ Dies sei keine Anlageberatung im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG).

Die Videos der Finfluencer sind oft informativ, meist auch unterhaltsam und für Leute gemacht, die sich bisher wenig mit Geldanlagen auskennen. Das zieht vor allem ein junges Publikum an. Eine Studie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) bestätigt den Augenschein. „Über 50 Prozent der Befragten haben schon einmal Informationen zu Finanzthemen von Finfluencern erhalten“, stellt die Behörde fest.

Wie seriös die einzelnen Ratgeber sind, lässt sich nicht pauschal feststellen. Tipps kann im Internet jeder geben, der Begriff Finfluencer ist nicht geschützt. Es bedarf keiner Ausbildung oder eines Nachweises von Fachkenntnissen. Im Gegensatz zu professionellen Bankberatern werden die Tippgeber im Netz auch nicht beaufsichtigt. Die Anbieter der Videos müssen auch nicht unbedingt gut sichtbar offenlegen, von wem und wofür sie bezahlt werden. „Vielen jungen Anlegerinnen und Anlegern ist auch überhaupt nicht bewusst, dass Finfluencer für ihre Empfehlungen regelmäßig eine Vergütung erhalten“, stellt die Bafin fest.

Gerade für eher unkundige Besucher der Webseiten von Finfluencern ist eine Einschätzung der Seriosität der Empfehlungen schwer. Viele Ratgeber bieten zwar gute Informationen und Erklärungen. „Allerdings kursieren dort auch unzählige falsche oder nur teilweise richtige Darstellungen“, warnt die Bafin, „wer solchen Tipps blind folgt, riskiert Kapitaleinbußen bis hin zum Totalverlust“.

Ein spektakulärer Fall ist in diesem Sommer bekannt geworden. Der Finfluencer Immo Tommy, der nach eigenen Angaben ein Millionenpublikum über das Geschäft mit Immobilien informiert, geriet durch Medienrecherchen unter Druck. Unzufriedene Immobilienkäufer klagen demnach über überhöhte Preise für die erworbenen Objekte, die die Käufer mitunter nicht einmal besichtigt hatten. Immo Tommy räumte danach zwar Fehler ein, mehr jedoch nicht. Nun werden sich wohl Gerichte mit den Fällen befassen.

■ Schwache Rendite

Zumindest ist eine erfolgreiche Geldanlage mithilfe der Social-Media-Stars bei weitem nicht gewährleistet. Das Swiss Institute of Finance hat den Anlageerfolg durch die Tipps aus dem Netz einmal untersucht. Das Ergebnis ist ernüchternd. Mehr als die Hälfte der Empfehlungen entwickelte sich schlechter als der jeweilige Gesamtmarkt. Nur jede sechste brachte ebenso viel ein. Und von 29 000 selbst ernannten Finanzexperten im Netz wurde nur gut jeder vierte als fachkundig eingeschätzt.

■ Vorsicht ist angebracht

Die Finanzaufsicht rät zu weiteren Vorsichtsmaßnahmen. So sollten sich potenzielle Anleger nicht von positiven Bewertungen und Gütesiegeln beeindrucken lassen. Auch eine hohe Zahl von Likes und Followern ist keine Gewähr für seriöse Ratschläge. Gerne werden auch Erfolgsgeschichten von anderen Besuchern aufgelistet. „Überprüfbar sind solche Beiträge in der Regel nicht“, warnt die Behörde.

Auch psychologische Tricks sollen Besucher mitunter zum Kauf eines Produktes bewegen. Dazu gehört zum Beispiel ein künstlich erzeugter Zeitdruck. Dabei wird der Eindruck vermittelt, dass bei längerem Zuwarten satte Gewinne entgehen könnten. Skepsis ist auch bei ungewöhnlich hohen Gewinnaussichten angezeigt. Hier gilt eine Grundregel bei Finanzgeschäften. Je höher die Rendite ist, desto höher ist das mit der Anlage verbundene Risiko. Daytrading, also das schnelle Kaufen und Verkaufen von Wertpapieren, ist ein Beispiel dafür.

Ist ein Verlust erst einmal eingetreten, sieht es für die Anleger rechtlich in der Regel schlecht aus. Denn im Gegensatz zu den Profis der Banken müssen Finfluencer dafür meist nicht haften. Insbesondere bei Kryptowährungen gibt es noch große Regulierungslücken.

Bei anderen Produkten greift die Haftungspflicht in bestimmten Fällen, etwa wenn der Finfluencer eigene Beteiligungen oder Interessenkonflikte verschweigt, den Markt manipuliert oder falsch über die Produkte informiert.

Auch individualisierte Empfehlungen können im Zweifel als Anlageberatung ohne Erlaubnis gewertet werden und damit eine Haftung begründen.

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