Hoher Rabatt auf Ladestrom

von Redaktion

Mit einer privaten Wallbox können Besitzer eines E-Autos ihren Wagen auch zu Hause laden. Wer einen dynamischen Tarif nutzt, kann gewaltig sparen. © Imago

In einem zunehmend grünen Energiesystem ist Flexibilität die entscheidende Währung. Muss das System sie bereitstellen – etwa durch Gaskraftwerke –, ist der Strom teuer. Sind Verbraucher flexibel und nehmen den Strom dann ab, wenn Wind und Sonne reichlich liefern, ist der Strom mitunter extrem günstig. Das Sparpotenzial hat das Beratungsunternehmen Neon für den Energieversorger Rabot berechnet.

■ Prinzip

„Elektrofahrzeuge werden im Durchschnitt weniger als eine Stunde am Tag bewegt und benötigen nur einen Bruchteil der verbleibenden Zeit, um ihre Batterien wieder aufzuladen“, erklärt Studienautor Lion Hirth. Der Ladevorgang könne also recht einfach zeitlich verschoben werden. Mit mit einem Energiemanagementsystem geht das sogar automatisch. „Beispielsweise kann eine Verschiebung des Ladevorgangs von den Abendstunden auf die spätere Nacht, insbesondere im Winter, erhebliche Kosteneinsparungen bewirken“, so Hirth. „Ähnliches gilt, bisher vor allem in den Sommermonaten, für eine Verschiebung in die frühen Nachmittagsstunden.“

So können E-Autofahrer auch ohne eigene PV-Anlage von günstigem Strom profitieren. Dafür braucht es einen dynamischen Stromtarif, der sich stündlich mit den Großhandelspreisen ändert. Diese Tarife müssen alle Versorger seit Januar anbieten. „Ab April werden Verteilnetzbetreiber zudem verpflichtet, zeitvariable Netzentgelte anzubieten“, erklärt Ökonom Hirth. Das bedeutet: Über verschiedene Tageszeiten fallen unterschiedlich hohe Netzentgelte an. Dieser Anreiz soll zusätzlich dafür sorgen, die Nachfrage mit dem Angebot der schwankenden Stromerzeuger mit zu harmonisieren.

■ Beispiel

Neon rechnet mit einer Berufspendlerin die im Jahr rund 10 000 Kilometer fährt. 75 Prozent der Zeit lädt sie ihr Auto zu Hause an der eigenen Wallbox. Um ihre Mobilität nicht einzuschränken muss die Batterie jeden Morgen um sechs Uhr zu 60 Prozent geladen sein. Im Basisszenario lädt die Pendlerin ihr Auto jeden Tag direkt nach der Heimkehr, bis es voll ist. Im Spar-Szenario steckt sie das Auto an die Wallbox, und das Energiemanagement-System entscheidet anhand der Strompreise, wann der beste Ladezeitpunkt ist. Lion Hirth betont, dass auch Pendler flexibler sind, als man meint. Denn der Arbeitsweg verbrauche nicht viel Strom, oft könne man mit dem Laden bis zum Wochenende oder auf freie Tage warten. „An über 200 Tagen wird gar nicht geladen“, so Hirth. Das Konzept funktioniert auch in Garagen von Mehrfamilienhäusern. Wichtig: „Damit der Stromverbrauch einer Wallbox nach einem dynamischen Tarif abgerechnet werden kann, ist ein Smart Meter erforderlich“, erklärt ein Sprecher des Stromanbieters Eon. Je nach baulichen Gegebenheiten gilt der digitale Stromzähler für Wohnung und Wallbox oder, im Optimalfall, nur für die Wallbox. Denn Verbraucherschützer raten von dynamischen Tarifen für Haushalte eher ab. Im letzten Fall kann man zwei getrennte Stromtarife abschließen. „Für Zählerangelegenheiten ist der regionale Netzbetreiber der richtige Ansprechpartner“, so der Eon-Sprecher. Seit diesem Jahr haben Verbraucher den Anspruch, einen Smart Meter eingebaut zu bekommen.

■ Ersparnis

Im Basisszenario bezahlt die Pendlerin jährlich 475 Euro für den Ladestrom zuhause. Neon setzt günstige 30 Cent dafür an. Nutzt sie einen dynamischen Tarif, der mit Preisprojektionen arbeitet (Day-ahead-Markt), lassen sich die Kosten demnach um 33 Prozent (156 Euro) senken. Nutzt sie dazu noch die Preisschwankungen im kurzfristigen, viertelstündlichen Handel (Intraday-Markt), kann sich die Ersparnis bereits auf 50 Prozent belaufen. Berücksichtigt das System dazu noch die zeitvariablen Netzentgelte, liegt die Ersparnis bereits bei 68 Prozent oder 323 Euro. Diese Maßnahmen sind ab April für alle Verbraucher umsetzbar und führen – abgesehen von den Kosten für Smart Meter und Steuereinheit – zu keinen weiteren Kosten. Gleichzeitig helfen sie, die Stromkosten für alle zu senken und das Klima zu schützen.

■ Bidirektionales Laden

Theoretisch können E-Autos zusätzlich als Batteriespeicher am Netz arbeiten. Sie laden also nicht nur, wenn Strom günstig ist, sie entladen auch, wenn er teuer ist. Das Potenzial liegt auf der Hand: Autos sind im Schnitt 23 Stunden pro Tag am Netz verfügbar, die Batterie ist groß und für die Mobilität bereits bezahlt. Eines der letzten Gesetze aus dem Haus von Robert Habeck (Grüne) verlangt, dass alle neuen E-Autos grundsätzlich bidirektional laden können. Rechtlich und regulatorisch ist das heute aber noch nicht möglich. Neon hat das Potenzial trotzdem erforscht: „Während die Weitergabe von Day-ahead Preisen noch keinen relevanten Mehrwert gegenüber intelligentem Laden bringt, liefert die Intraday-Optimierung den vierfachen Mehrwert“, erklärt Hirth. Steht das Auto also zur Verfügung, um Stromschwankungen im Lauf des Tages auszugleichen, lässt sich damit weit mehr Geld erlösen, als mit dem oben beschriebenen intelligentem Laden.

„Die Einsparpotenziale durch zeitvariable Netzentgelte verdoppeln sich ebenfalls und ermöglichen bereits eine negative Stromrechnung“, so Hirth. Das bedeutet: Stellt die Berufspendlerin ihr E-Auto neben dem normalen Gebrauch als Stromspeicher zur Verfügung, sinkt ihre jährliche Rechnung für Ladestrom von 475 auf 355 Euro. Sie bekommt also Geld raus. Weil die Batterie unter jedem Ladezyklus leidet, hat Neon pro gespeicherter Kilowattstunde fünf Cent Degradationskosten angesetzt. Aufs Jahr kostet dieser Verschleiß im Modell 125 Euro, die den Gewinn schmälern. Damit könnten E-Autos für die Eigentümer und das Stromsystem große Gewinne bringen und den Strommix grüner machen. Rechtlich ist das heute aber noch nicht möglich.

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