BÖRSENWOCHE

Es geht um mehr als nur Zölle

von Redaktion

Die Einigung auf eine Aussetzung der exorbitanten Zölle zwischen den USA und China Mitte Mai hat all diejenigen bestärkt, die auf weitreichende Handelsabkommen hoffen. Die zwischenzeitliche Drohung von Präsident Trump, auf EU-Waren einen Zoll von 50 Prozent zu erheben, zeigt jedoch, dass das Thema Zölle auf Trumps Agenda bleiben wird und es zwischendurch allenfalls Verschnaufpausen gibt. Hieran dürfte auch das Außerkraftsetzen eines großen Teils der Zölle durch das US-Gericht für internationalen Handel, welches am Donnerstag in Windeseile von einem Berufungsgericht wieder aufgehoben wurde, nichts ändern. Die nun folgende Eskalation über die Befugnisse des Präsidenten bei der Erlassung von Zöllen dürfte beim obersten Gerichtshof enden. Dieses Verfahren ist nicht nur für die künftige US-Zollpolitik wegweisend, sondern wird auch mehr Klarheit über die Machtfülle des Präsidenten, den Status der Rechtssicherheit und das Funktionieren der Institutionen in den USA geben.

Mit dem gegenüber der EU praktizierten Muster dürfte der US-Präsident auch andere Staaten im Vorfeld des 9. Juli unter Druck setzen. Dann endet die 90-tägige Aussetzung der reziproken Zölle. Aufgrund der Vielzahl und der Komplexität der bilateralen Verhandlungen erwarten wir keine flächendeckenden Abkommen. Es dürfte vielmehr eine Mischung aus wenig weitreichenden „Deals“, Verlängerungen der Aussetzung und Wiedereinführungen der reziproken Zölle geben. Auch am 12. August, dem Ende des US-China-Abkommens, erwarten wir keinen umfassenden „Deal“, sondern eher eine begrenzte Verlängerung der jetzt geltenden Regeln. Damit bleiben aber die US-Zölle signifikant höher als zu Jahresbeginn und belasten die Weltwirtschaft, vor allem aber die US-Wirtschaft selbst.

Neben den Zöllen rücken auch wieder die Staatsschulden in den Blick der Anleger. Der Senat soll das umstrittene US-Steuergesetz bis zum 4. Juli durchwinken. Passiert dies ohne gravierende Änderungen, wird es niedrige Einkommenssteuern und weiter sinkende Unternehmenssteuern geben, die nur teils durch Ausgabenkürzungen und Zolleinnahmen kompensiert werden. Das dürfte zu einem Anstieg des Staatsdefizits führen, die ohnehin skeptisch gewordenen Investoren zusätzlich beunruhigen und die Renditen von US-Staatsanleihen erhöhen.

In diesem angespannten Umfeld sollte die neue Bundesregierung mit ihrem ersten Haushalt das Vertrauen der Investoren nicht enttäuschen. Die sahen die Schuldentragfähigkeit Deutschlands zurecht durch das Investitionspaket nicht gefährdet. Sollten Vorhaben wie Mütterrente und Agrardiesel aber ohne konkrete Strukturreformen umgesetzt werden, könnte das Vertrauen verloren gehen. Sollte auch die Bundesregierung das Investorenvertrauen verlieren, hätte dies wohl einen deutlichen Anstieg der Bund-Renditen zur Folge – und damit weniger Spielraum für Investitionen.

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