Zur Bestimmung des Pflegegrades kommt ein Gutachter ins Haus. Dabei werden sechs Lebensbereiche, genannt Module, in den Blick genommen, um zu beurteilen, wo die körperlichen und geistigen Einschränkungen liegen. © Christin klose, dpa
Ein Sturz, ein Schlaganfall, ein Unfall: Manchmal ist Pflegebedürftigkeit von heute auf morgen da. Meist kommt sie aber schleichend: Betroffene oder ihre Angehörigen merken, dass immer mehr Unterstützung im Alltag nötig ist. Dann ist ein guter Zeitpunkt, um einen Pflegegrad bei der Pflegekasse zu beantragen. Denn: „Nur wer einen Pflegegrad hat, bekommt von der Pflegekasse auch Leistungen“, sagt Ulrike Kempchen von der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen in Bonn. Welche Leistungen und in welchem Umfang, das hängt von der Höhe des Pflegegrades ab – es geht von 1 bis 5.
Ein Beispiel für so eine Leistung ist das Pflegegeld. Das bekommen alle mit Pflegegrad 2 bis 5, die sich dafür entscheiden, sich statt von einem ambulanten Pflegedienst von Angehörigen versorgen zu lassen. Die Höhe variiert je nach Pflegegrad und liegt zwischen 347 Euro und 990 Euro im Monat.
Der Pflegeantrag ist gestellt? Dann folgt im nächsten Schritt die Pflegebegutachtung. Die wichtigsten Fragen dazu:
Was ist eine Pflegebegutachtung?
Für die Pflegebegutachtung beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst (MD) der Krankenkassen. Bei Privatversicherten ist es der Gutachterdienst Medicproof. Dort arbeiten Pflegefachkräfte oder Ärzte, die zum Hausbesuch vorbeikommen. Ihre Aufgabe ist es, auszuloten, ob und in welchem Umfang die Person, die den Pflegeantrag gestellt hat, in ihrer Selbstständigkeit beeinträchtigt ist. Das entscheidet über die Einstufung in einen Pflegegrad. Die Gutachter stehen dabei nicht plötzlich vor der Tür. „Die Fachleute kündigen ihr Kommen rechtzeitig an“, sagt Felizitas Bellendorf von der Verbraucherzentrale.
Was passiert beim Hausbesuch?
Der Gutachter geht mit den Betroffenen einen festgelegten Fragenkatalog (Begutachtungsassessment) mit 64 Fragen durch. „Damit wollen die Expertinnen und Experten herausfinden, inwieweit Betroffene körperlich, psychisch oder geistig eingeschränkt sind und welchen Unterstützungsbedarf sie in ihrem Alltag haben“, sagt Felizitas Bellendorf. Der Gutachter vergibt abhängig vom Ergebnis der Fragen jeweils Punkte. Aus ihnen wird dann der Pflegegrad berechnet.
Was wird genau geprüft?
Das sind die sechs Bereiche, auf die es ankommt:
Welche Unterlagen sollte man bereithalten?
Laut Felizitas Bellendorf sollte man folgende Unterlagen parat liegen haben, sofern vorhanden: aktuelle Arztbriefe, Entlassungsbericht vom Krankenhaus beziehungsweise von der Reha-Einrichtung, Pflegedokumentation, Medikamentenplan, Schwerbehindertenausweis, Liste mit genutzten Hilfsmitteln wie Hörgerät oder Rollator. Hilfreich kann sein, vorab ein Pflegetagebuch zu führen, in dem man den tatsächlichen Pflegeaufwand im Alltag festhält. Auch das sollte dann bereitliegen.
Welche Rolle spielen Angehörige beim Begutachtungstermin?
„Bei der Pflegebegutachtung sollten unbedingt Angehörige dabei sein“, rät Ulrike Kempchen. Denn sie könnten oft klarer und sachlicher Auskunft über die Pflegebedürftigkeit geben als der oder die Betroffene selbst. „Hinzu kommt, dass der Patient oder die Patientin beim Begutachtungstermin oft aufgeregt ist“, sagt Felizitas Bellendorf. Da tut es gut, mindestens eine vertraute Person an seiner Seite zu wissen.
Was sind typische Fehler?
Manchmal kommt es zu einer fehlerhaften Selbsteinschätzung. „Betroffene versuchen nicht selten, aus Scham heraus sich so perfekt wie möglich darzustellen“, sagt Ulrike Kempchen. Dann wird womöglich verschwiegen, dass der Toilettengang ohne Hilfe nicht mehr klappt. Andere wiederum neigten dazu, „den sterbenden Schwan zu mimen, obwohl dies nicht unbedingt den Tatsachen entspricht“, so Felizitas Bellendorf. Am besten bleibt man auf dem Mittelweg und schildert seine Situation ehrlich – und ohne falsche Scham.
Was. wenn einem der erstellte Bescheid nicht passt?
Gegen den Bescheid kann man Widerspruch einlegen. „Dann erfolgt eine Zweitbegutachtung durch einen anderen Gutachter“, sagt Ulrike Kempchen. Sind Betroffene auch mit dem Ergebnis des Zweitgutachtens nicht einverstanden, können sie Klage beim Sozialgericht einreichen.