Die USA häufen auch unter Trump weitere Schulden an. © IMAGO/Andreas Muth
New York – Die schnell steigende US-Staatsverschuldung beunruhigt die internationalen Kapitalmärkte. Zwar geht niemand davon aus, dass in nächster Zukunft eine US-Staatsschuldenkrise droht, manche Finanzfirmen wie die Munich Re sehen die USA nach wie vor als sicheren Hafen für Investoren. Doch zunehmend halten Beobachter eine größere Krise bereits in wenigen Jahren für nicht ausgeschlossen.
„Die USA haben zwar noch Spielraum für Anpassungen, aber der Spielraum für Fehler wird immer kleiner“, warnt Christian Scherrmann, der für die USA zuständige Ökonom der Deutsche-Bank-Tochter DWS. „Verzögerungen erhöhen das Risiko einer nichtlinearen Finanzkrise, in der das Vertrauen der Märkte plötzlich schwindet.“ „Nichtlinear“ ist der vornehme Ausdruck dafür, dass große Krisen seit jeher zu unvorhergesehenen Zeitpunkten kommen.
Innerhalb von gut zehn Jahren hat sich die US-Verschuldung verdoppelt: von 18,2 Billionen Dollar im Jahr 2015 auf derzeit 36,6 Billionen, wie auf der Webseite des US-Finanzministeriums nachzulesen. Die Haushaltsbehörde des US-Kongresses geht davon aus, dass das jüngst von US-Präsident Donald Trump verabschiedete Gesetz „One Big Beautiful Bill“ die US-Schulden bis 2034 um weitere drei Billionen Dollar erhöhen könnte.
Dementsprechend wächst die Zinslast. In diesem Jahr wird die US-Regierung voraussichtlich 794 Milliarden Dollar an ihre Gläubiger berappen. „Es bestehen wenig Zweifel, dass als Konsequenz des Gesetzes der Schuldenberg der USA weiter rasant wachsen wird“, sagt KfW-Chefökonom Dirk Schumacher.
Der prominente Ökonom Kenneth Rogoff – ehemaliger Chef des Internationalen Währungsfonds – erwartet in den nächsten fünf bis sieben Jahren eine schuldenbedingte US-Inflationskrise mit einer Teuerungsrate von 20 bis 25 Prozent, wie der Wissenschaftler prophezeite.
Der DWS-Fondsmanager Thomas Schüßler sieht schwindendes Vertrauen in die USA. Er weist auf drei Faktoren hin: die hohe Verzinsung langfristiger US-Staatsanleihen von derzeit etwa 4,3 Prozent, die Abwertung des Dollar in den vergangenen Monaten und den stark gestiegenen Goldpreis – letzteres ein traditionelles Indiz, dass Anleger einen sicheren Hafen suchen. Diese drei Faktoren in Kombination nennt Schüßler „den ultimativen Misstrauensbeweis gegen die amerikanische Geldpolitik“.
Vergleichsweise unbesorgt wirkt der Rückversicherer Munich Re, der in der Finanzbranche traditionell als vorsichtiges Unternehmen gilt. „Das Risiko, US-Staatsanleihen zu halten, besteht in der Fähigkeit und Bereitschaft des US-Finanzministeriums, die Schulden zurückzuzahlen“, sagt Nicholas Gartside, der Chief Investment Officer des Dax-Konzerns. „Diese beiden Faktoren stehen absolut außer Frage. US-Schulden bleiben ein sicherer Hafen.“