Plötzlich Pflegefall

von Redaktion

Manchmal geht es ganz schnell: Durch einen Sturz oder einen Schlaganfall ist das gewohnte Leben in den eigenen vier Wänden nicht mehr möglich. Angehörige müssen dann oft in kurzer Zeit viel organisieren und regeln. © imago stock&people

Wandern, Reisen, Radfahren: Rentner stehen heute oft noch mitten im Leben. Doch nach einem Schicksalsschlag kann plötzlich alles anders sein. Wer gerade noch problemlos alleine wohnte, kann zum Beispiel nach einem Schlaganfall vor der Frage stehen, ob er in ein Pflegeheim muss. Nach dem ersten Schock geht es dann oft schnell um finanzielle Fragen: Wie wird die Pflege finanziert? Was passiert mit dem Eigenheim und dem geplanten Erbe? Und können Kinder einen behindertengerechten Umbau finanzieren, ohne selbst finanziell ins Risiko zu gehen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie teuer ist ein Pflegeheim überhaupt?

Pflege ist aufwendig. Für einen Pflegedienst kann man laut Rechner der Pflegeberatung weit über 1000 Euro Eigenanteil pro Monat einkalkulieren, wenn er täglich kommen muss. Richtig teuer wird es, wenn Betroffene nicht in ihrer Wohnung bleiben können. Wie Zahlen des Verbandes der Ersatzkassen zeigen, liegt die Eigenbeteiligung für Bewohner in bayerischen Pflegeheimen im ersten Jahr im Schnitt bei 3094 Euro im Monat, erst ab dem dritten Jahr fällt sie meist unter 2000 Euro.

Was ist, wenn die Rente dafür nicht reicht?

Um die Pflege zu finanzieren, werden die gesamten Einnahmen des Betroffenen herangezogen: Rente, Betriebsrenten oder Mieteinnahmen etwa. Reicht das nicht aus, wird auch das Vermögen verwertet. Ausgenommen ist dabei laut Verbraucherzentralen nur ein Schonvermögen von 10 000 Euro für Alleinlebende sowie Familienerbstücke oder die Riester-Rente. Erst wenn das gesamte Vermögen aufgebraucht ist, zahlt die Sozialhilfe die Heimkosten. Auch Kinder müssen für ihre Eltern einstehen, das Sozialamt prüft das allerdings erst ab einem Jahreseinkommen von 100 000 Euro. Zudem können Posten wie Wohnen, Kinder oder Altersvorsorge angerechnet werden.

Müssen Betroffene auch ihre Immobilie verkaufen?

Ja. Wohnt der oder die Betroffene nicht selbst darin, muss auch eine Immobilie verkauft werden. Ein Fall, der gar nicht so selten vorkomme, sagt Paul Grötsch, Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht. Bitter: „Das trifft vor allem Menschen, die außer ihrem Eigenheim kaum Vermögen haben“, erklärt Grötsch. Wer viele Immobilien habe, müsse meist nur eine für die Pflege opfern. Hat man dagegen sein Leben lang ein Eigenheim abgezahlt, ist es im Pflegefall bedroht. Verschont wird so eine Immobilie nur, wenn ein Lebenspartner oder Kinder in dem Haus oder der Wohnung leben – oder eventuelle Mieteinnahmen und die Rente die Pflegekosten decken.

Kann man Vermögen mit Schenkungen retten?

Grundsätzlich schon, sagt Erbrechtler Grötsch. „Üblicherweise nutzt man Schenkungen, um größere Vermögen weiterzugeben.“ Immerhin gibt es alle zehn Jahre einen Freibetrag von 400 000 Euro je Kind. „Gleichzeitig sind auch alle Schenkungen, die mehr als zehn Jahre zurückliegen, vor dem Zugriff des Staates für die Finanzierung der Pflegekosten geschützt.“ Der beste Weg sei, die Immobilie mit Nießbrauchvorbehalt an die nächste Generation weiterzugeben. „Sie gehört zwar dann den Kindern, der Schenker kann aber weiter darin wohnen, die Immobilie vermieten oder sie auch einfach leer stehen lassen – ganz, wie er will“, erklärt Grötsch.

Sollte man das möglichst früh tun?

Das sei eine Abwägungsfrage, sagt Grötsch. „Hat man eine Immobilie erst einmal verschenkt, kann man sie auch nicht mehr verkaufen, um zum Beispiel in einen anderen Ort zu ziehen oder eine altersgerechtere Wohnung zu erwerben.“ Auch bei Streit mit den Angehörigen werden Schenkungen zum Problem. Zudem verweist Grötsch auf einen generellen Nachteil, wenn man sein gesamtes Vermögen schon zu Lebzeiten verschenkt: Das Sozialamt übernehme dann zwar alle Kosten für das Pflegeheim, zahle aber immer nur die günstigste Lösung. „Möchte der Betroffene in ein besseres und teureres Heim, kann er das nicht mehr aus eigener Tasche finanzieren.“

Ist eine spontane Überschreibung sinnvoll?

Man kann eine Immobilie nicht im letzten Moment verschenken, um sie zu retten. Muss das Sozialamt die Kosten übernehmen, kann es Vermögen, die in den zehn Jahren vor der Verarmung verschenkt wurden, vom Beschenkten zurückfordern. „Das ist eine starre Grenze“, warnt Erbrechtler Grötsch. „Im Laufe der Jahre gibt es auch keine Abschmelzung.“ Das bedeutet: Selbst wenn das Sozialamt die Schenkung zum Beispiel erst nach fünf Jahren rückgängig macht, fordert es nicht nur 50 Prozent zurück, sondern den vollen Betrag. Das Geld aus dem Immobilienverkauf wird so lange genutzt, bis es entweder komplett aufgebraucht oder der Betroffene verstorben ist.

Und was, wenn die Kinder das Haus umbauen?

Manchmal ist es eine Option, ein Haus oder eine Wohnung behindertengerecht umzubauen, damit Senioren darin wohnen bleiben können – etwa mit Treppenlift und barrierefreiem Bad. Dann fällt die Immobilie trotz Kosten für den Pflegedienst unter das Schonvermögen, weil sie selbst genutzt wird, und kann wie geplant nach dem Tod vererbt werden. Wollen Kinder Kapital für den Umbau zuschießen, sollten sie sich einen Darlehensvertrag dafür geben lassen, rät Grötsch. Damit werde verhindert, dass sie das investierte Geld verlieren, falls die Eltern trotzdem irgendwann in ein Pflegeheim müssen und die Immobilie doch noch verkauft wird.

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