Mehr soll es werden: So viel ist klar, bei der Geldanlage. Wer dazu Künstliche Intelligenz um Rat fragt, muss kritisch bleiben. © smarterpix, kirisa
In kürzester Zeit hat Künstliche Intelligenz (KI) in fast alle Lebensbereiche Eingang gefunden – natürlich auch in die Geldanlage. Digitale Assistenten wie ChatGPT haben Zugriff auf praktisch alle im Internet verfügbaren Informationen und können sie nach unseren Vorlieben aufbereiten. Unsere Anlageentscheidungen mit einer KI zu besprechen, erscheint nicht nur logisch – es wirkt fast fahrlässig, es nicht zu tun. Aber wie gut ist der Rat der derzeit allgemein zugänglichen Programme?
Das Finanzportal biallo.de hat für unsere Zeitung die kostenlosen Versionen von ChatGPT, Claude und Gemini getestet. Schon wenige Anfragen zeigten klare Stärken – aber auch erstaunliche Schwächen.
■ Wie lege ich 50 000 Euro an?
Zunächst sollten die KIs Orientierung geben. Die Frage lautete allgemein: Wie lege ich 50 000 Euro an? Die Erwartung: Die KI müsste von sich aus nach der persönlichen Situation fragen, um passende Vorschläge zu machen. Das ist auch passiert. Jedes Programm fragte nach dem Anlagehorizont (20 Jahre) und der Risikoneigung (mäßig). Es gab aber auch Unterschiede, die sich teils als folgenreich erweisen würden. So fragte nur Claude nach den bisherigen Erfahrungen bei der Geldanlage (keine), interessierte sich aber nicht für die Anlageziele (Altersvorsorge). Keine KI wollte mehr über die finanzielle Lage wissen.
■ Seriöser als viele Influencer
Ein paar Eingaben später hatten die drei Gespräche kaum noch etwas gemein. ChatGPT versuchte, dem Nutzer die Finanzwelt zu erklären. Von Spreads, Kostenquoten, Rebalancing und Thesaurierung war die Rede. Claude fragte persönliche Ängste und Sorgen ab. Sein Tipp: erst mal ein Buch lesen. Gemini wiederum führte recht zielstrebig zu Depoteröffnung und ETF-Kauf.
Keine dieser Erfahrungen war schlecht. Die KIs drängten nichts auf und machten keine unhaltbaren Versprechen. Sie wirkten damit seriöser als viele Influencer und unvoreingenommener als mancher Fondsverkäufer. Auch gingen sie auf die persönlichen Umstände ein – nur eben nicht systematisch. Daher können Gespräche unter gleichen Voraussetzungen völlig verschiedene Wendungen nehmen. Wichtige Rahmenbedingungen gehen unter, wenn sie von Mensch und Maschine übersehen werden.
■ KI empfiehlt ausländische Banken
Ist die KI besser, wenn es um konkrete Produkte geht? In einem weiteren Test wollten wir wissen, welches Tagesgeldkonto die Programme empfehlen. Gefragt war ein Angebot mit langfristig guten Zinsen. Unkompliziert und sicher sollte es sein.
Alle KIs zählten wichtige und richtige Punkte auf, die Anleger beachten sollten. Auch stellten sie mehrere Angebote vor, ließen dabei aber wichtige Details aus. ChatGPT nannte Consorsbank (Frankreich), Ayvens Bank (Niederlande) und Nordax Bank (Schweden), verriet aber selbst auf Nachfrage nicht, dass sich Anleger bei den zwei Letztgenannten selbst um die Versteuerung der Zinsen kümmern müssen. Claude und Gemini waren sich einig, dass Trade Republic (Deutschland) und die TF Bank (Schweden) am besten passen würden. Erst auf Nachfrage teilten sie mit, dass es sich beim Neobroker Trade Republic um ein Depot mit verzinstem Verrechnungskonto handelt und Anleger keinen Einfluss auf die Einlagensicherung haben. Nur wer nachfragt erfährt, dass die Einlagensicherung bei der TF Bank auf Schwedische Kronen lautet, im Insolvenzfall also ein Wechselkursrisiko möglich ist.
■ Empfehlungen aus der Werbung
Letztlich passte keine der fünf Empfehlungen uneingeschränkt zu den Vorgaben. Der Verdacht: Die KI kennt die Konditionen und Fallstricke der Anbieter eigentlich gar nicht. Ein Mensch hätte vermutlich erst die Bedingungen verglichen und dann eine Empfehlung ausgesprochen. Die KIs beriefen sich dagegen auf Empfehlungen einschlägiger Websites – oft mit Quellenangabe. Bedenklich: Claude zitierte in seiner Empfehlung einen als Werbung gekennzeichneten Beitrag.
Wie schwer sich die Programme mit harten Fakten tun, zeigte sich besonders an den Zinsen. So verwechselte Claude bei einem Anbieter den Aktionszins für Neukunden mit dem Standardzins für Bestandskunden – direkt nachdem das Modell erklärt hatte, wie wichtig diese Unterscheidung ist. ChatGPT verwies auf widersprüchliche Angaben. Dabei ist das Rätsel mit einem Blick auf die Seite des Anbieters schnell zu lösen. Trotz derart grober Missgeschicke können die Tools bei der Geldanlage helfen: Sie können komplizierte Themen erklären, eine zweite Meinung anbieten und Anlegerinnen und Anleger auf neue Ideen bringen. Nur verlassen darf man sich auf sie nicht.