Was genau im Einkaufswagen landet, ist in Zukunft wohl schwerer zu durchschauen. © Sebastian Kahnert, dpa
Gentechnisch veränderte Lebensmittel – bei diesem Gedanken ist vielen Menschen unwohl. Nun sollen die Regeln in der EU gelockert werden. Gentechnisch veränderte Lebensmittel, bei denen weniger gravierende Eingriffe vorgenommen wurden, sollen auch ohne spezielle Prüfung und ohne Kennzeichnung den Weg in den Supermarkt finden.
Was bedeuten das für Verbraucher?
Wenn die neuen Vorgaben vom EU-Parlament und den EU-Staaten bestätigt worden sind – was normalerweise als Formsache gilt – können Verbraucher künftig nicht mehr auf den ersten Blick erkennen, ob sie durch moderne Gentechnikverfahren veränderte Lebensmittel essen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband sieht darin eine „herbe Enttäuschung“.
Kann man Gentechnik auf dem Teller künftig noch vermeiden?
Wer die neuen Züchtungsmethoden auch künftig nicht auf dem Teller haben will, kann sich an dem Label „Ohne Gentechnik“ orientieren. Das soll laut dem dahinterstehenden Verband auch künftig Gentechnikfreiheit garantieren.
Gentechnikfrei soll in Zukunft auch weiterhin die Biolandwirtschaft bleiben. Jedoch soll es laut Parlament keinen Verstoß darstellen, wenn es um ein „technisch unvermeidbares Vorhandensein“ von Gentechnik geht. Eine Kennzeichnungspflicht für Saatgut soll es ermöglichen, weiterhin gentechnikfrei zu arbeiten. Der Lebensmittelhändler Rewe teilte mit, man sehe die Entscheidung kritisch.
Wie sicher sind die Produkte?
Neue Sorten unterliegen weiter der gesetzlich geregelten Sortenprüfung und -zulassung. Sprich: Komplett ungeprüft kommen auch künftig gentechnisch veränderte Pflanzen nicht auf den Markt.
Welche Vorteile kann diese neue Gentechnik bieten?
Viele Forscher sehen enormes Potenzial. So besteht die Hoffnung, etwa eine Weizensorte zu entwickeln, die gegen die Pilzkrankheit Mehltau resistent ist. Aber auch stressresistente Maispflanzen oder allergenfreie Erdnüsse sind denkbar. Befürworter erhoffen sich auch positive Effekte durch widerstandsfähige Pflanzen mit Blick auf Hunger und Klimakrise. Zudem erwarten Befürworter, dass europäische Landwirte wettbewerbsfähiger werden. In anderen Ländern gelten bereits schwächere Regeln für moderne Gentechnikverfahren.
Welche Risiken sehen Kritiker?
Unter anderem steht die Befürchtung im Raum, dass neue Gentechnik-Methoden weitreichend genutzt werden – also für deutlich mehr als Veränderungen, die auch herkömmlich entstehen könnten. Die Ökologin Katja Tielbörger warnte in der FAZ davor, dass sich gentechnisch veränderte Pflanzen in der Wildnis ausbreiten könnten. Dies berge Risiken für das Gleichgewicht eines Ökosystems.
Welche Auswirkungen gibt es auf den Pestizideinsatz?
Befürworter erhoffen sich etwa durch resistentere Sorten einen geringeren Einsatz von Pestiziden. Theoretisch kann Pflanzen aber auch eine höhere Toleranz gegen Unkraut- und Insektenvernichter angezüchtet werden, was einen höheren Einsatz der Pflanzenschutzmittel ermöglichen würde. Dänemarks Landwirtschaftsminister Jacob Jensen sagte: „Diese neuen Sorten könnten widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren oder Überschwemmungen sein und weniger Düngemittel und Pestizide benötigen.“
Wie viel Gentechnik steckt bereits in unserem Essen?
Indirekt landet Gentechnik auch jetzt schon auf unseren Tellern. Keine Kennzeichnungspflicht besteht zum Beispiel für Produkte von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden. Zudem sind bestimmte Methoden, bei denen etwa genetische Veränderung durch Bestrahlung oder Chemikalien vorgenommen wird, bereits jetzt teils von der Regulierung und Kennzeichnung nach Gentechnikrecht ausgenommen.
Was sind die nächsten Schritte?
Die neuen Vorgaben müssen noch vom EU-Parlament und den EU-Staaten bestätigt werden. Normalerweise ist das Formsache, wenn sich die Unterhändler der Institutionen zuvor auf einen Kompromiss geeinigt haben. Sollte es entsprechende Mehrheiten geben, dürfte das noch nicht das Ende des Widerstands gegen das Vorhaben sein. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft will zusammen mit anderen Organisationen und Verbänden die Verordnung rechtlich überprüfen lassen, um sie zu Fall zu bringen.