Positive Überraschungen an der Börse nicht ausgeschlossen. © Arne Dedert, dpa
Die laufenden Verhandlungen zur Beendigung des Kriegs in der Ukraine zeigen, dass die Geopolitik ein bedeutendes Thema bleibt. Aus Sicht von Wirtschaft und Finanzmärkten ging der größte politische Stress jedoch von der US-Zoll- und Handelspolitik aus. Im Rückblick auf das Jahr 2025 kann dabei attestiert werden, dass der „politische Stresstest“ gut überstanden wurde. Die Widerstandskraft war wahrscheinlich aber geringer als gedacht, weil die negativen Effekte des US-Zollschocks noch nicht vollständig wirken und außerhalb der USA Vorzieheffekte zu einem Exportschub im ersten Quartal führten, der das durchschnittliche BIP-Wachstum nach oben verzerrte. Zudem hat der KI-Investitionsboom vor allem in den USA zu einer Sonderkonjunktur geführt und das massive Fiskalpaket in Deutschland die europäischen Finanzmärkte beflügelt. Aufgrund der hohen Bewertungen am Aktienmarkt und Unregelmäßigkeiten am intransparenten „Private Credit“-Markt rückt die Finanzmarktstabilität in den Vordergrund. Die Resilienz von Wirtschaft und Finanzmärkten dürfte daher 2026 erneut auf den Prüfstand gestellt werden.
Mit einer Verschnaufpause im US-chinesischen Handelskrieg sollte die Weltwirtschaft 2026 keine nennenswerten zusätzlichen Belastungen von der Geopolitik bekommen, die jedoch mittelfristig ein bestimmender Faktor bleiben wird. Vielmehr wird der Fokus auf den Midterm-Wahlen in den USA liegen, bei denen die Demokraten erfolgreich sein dürften. Das wird Präsident Trump jedoch nicht zur „Lame duck“ machen, sondern eher dazu führen, dass Normen und Gesetze in den USA noch skrupelloser gebrochen werden. Auch in Europa bleibt die politische Situation, vor allem in Frankreich, angespannt und könnte sich in Deutschland mit Blick auf die Landtagswahlen verschärfen. Trotz steigender Popularität europakritischer Parteien erwarten wir mehr gemeinsame Finanzierung von Verteidigungsausgaben. Der Bürokratieabbau dürfte jedoch schleppend verlaufen.
In diesem Umfeld erwarten wir mit 2,6 Prozent eine zaghaft wachsende Weltwirtschaft. Während die US-Konjunktur wegen der zollbedingten Kaufkraftverluste und weniger dynamischer KI-Investitionen temporär schwächelt, wird sich die europäische Konjunktur wegen des deutschen fiskalischen Stimulus beleben. Für Deutschland erwarten wir dabei ein BIP-Wachstum von 1,4 Prozent. Wachsende Staatsschulden werden dabei zu steigenden langfristigen Renditen führen, auch in den USA, wo eine weniger unabhängige Fed die Leitzinsen deutlich senken wird. In unserem Basisszenario erwarten wir, dass die Aktienmärkte die Resilienz-Prüfung (knapp) bestehen, aber eine volatile Konsolidierungsphase bevorsteht, bei der der Dax das Jahr 2026 mit einem Stand von 25 500 Punkten beenden dürfte. Dabei bleiben die Risiken hoch und überwiegend nach unten gerichtet. Ein weiteres Jahr positiver Marktüberraschungen ist aber keinesfalls ausgeschlossen.