Im Ballungsräumen übersteigt auch der Wert eines kleinen Hauses schnell alle Freibeträge. Dann sind lebzeitige Schenkungen eine Überlegung wert. © Gustafsson via imago
Fast jeder hat etwas zu vererben. Damit das Zugedachte auch an die richtige Person kommt, sollte man sich beizeiten darum kümmern. Dabei gibt es nicht nur die Möglichkeit, Geld oder Dinge per Testament zu vererben, man kann sie auch zu Lebzeiten verschenken. Auch dafür gibt es steuerliche Freibeträge. Doch auch hier herrschen viele Irrtümer vor.
■ Anrechnung im Erbfall
Irrtum: „Gebe ich zu Lebzeiten einem meiner Kinder einen Anteil von meinem Vermögen, wird das im Erbfall verrechnet, sodass am Ende alle meine Kinder den gleichen Anteil erhalten.“ Das ist nicht automatisch der Fall. Zuwendungen zu Lebzeiten werden keinesfalls automatisch nach dem Tod verrechnet.
Beispiel: Herr Müller überträgt seinem Sohn ein Baugrundstück. Notariell wird festgehalten, dass dies im Erbfall auszugleichen ist. Zu einem späteren Zeitpunkt schenkt er der Tochter 200 000 Euro, ohne etwas schriftlich festzuhalten. Nach dem Tod des Vaters fordert die Tochter ihren Anteil am Baugrundstück des Bruders ein. Dieser argumentiert, dass sie ja bereits 200 000 Euro erhalten habe, was ein angemessener Ausgleich sei. Da es dazu allerdings keine schriftliche Anordnung des Vaters gibt, fallen die 200 000 Euro, die die Schwester erhalten hat, aus dem Nachlass heraus, sie müssen nicht ausgeglichen werden.
Lösung: Wer zu Lebzeiten Vermögen verschenkt und möchte, dass es nach dem Tod unter Kindern ausgeglichen wird, muss dies vertraglich bei der Schenkung festhalten.
■ Pflichtteil bleibt
Irrtum: „Wenn ich etwas verschenke, ist es aus der Erbmasse raus.“
Das ist nicht ganz richtig. Wenn durch die Schenkung Verwandte, denen ein Pflichtteil zusteht – Kinder und Ehepartner – benachteiligt werden, können sie nach dem Tod des Erblassers verlangen, dass die Schenkung bei der Berechnung des Pflichtteils anteilig berücksichtigt wird. Das gilt für Schenkungen, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Tod vorgenommen wurden. Je nachdem, wie lange die Schenkung zurückliegt, wird sie anteilig bei der Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt. Wurde die Schenkung im letzten Jahr vor dem Tod gemacht, wird sie zu 100 Prozent angerechnet, wurde sie aber bereits fünf Jahre davor getätigt, werden noch 50 Prozent angerechnet. Pro Jahr sinkt der Anrechnungswert um zehn Prozent.
Beispiel: Herr Müller hat zwei Kinder und ein Haus im Wert von 400 00 Euro. Jedes Kind würde davon je die Hälfte erben, also 200 000 Euro. Fünf Jahre vor seinem Tod schenkt Herr Müller das Haus seiner Tochter. Aber: Der Bruder darf nach dem Tod des Vaters seinen Pflichtteil am Haus verlangen, weil die Schenkung erst fünf Jahre vergangen ist. Also wird die sogenannte fiktive Erbmasse berechnet, die Schenkung wird dabei nur zu 50 Prozent berücksichtigt, also zu 200 000 Euro statt 400 000 Euro. Der gesetzliche Erbanteil vom Bruder würde bei 100 000 liegen, er müsste sich das Erbe ja mit der Schwester teilen. Da ihm aber nur der Pflichtteil zusteht, halbiert sich der gesetzliche Erbanspruch noch mal um die Hälfte. So bleiben dem Bruder noch 50 000 Euro Pflichtanteil.
Lösung: Sollte der Vater wünschen, dass der Sohn leer ausgeht, dann müsste er das Haus schon mindestens zehn Jahre vor seinem Tod der Tochter geschenkt haben.
■ Steuer frisst Erbe
Irrtum: „Die Erbschaftssteuer frisst das ganze Erbe auf.“
Das ist in den meisten Fällen nicht richtig. Es gelten gerade bei engen Verwandten hohe Freibeträge (siehe Grafik). Ehegatten steht zudem ein Versorgungsfreibetrag von pauschal 256 000 Euro zu. Auch Kindern steht ein nach Alter gestaffelter Versorgungsfreibetrag bis zum 27. Lebensjahr zu. Sollte der hinterbliebene Ehepartner in der eigenen Immobilie wohnen, fällt für diese keine Erbschaftssteuer an, sofern er mindestens zehn Jahre dort wohnen bleibt.
Beispiel: Der Sohn erbt vom Vater ein Vermögen in Höhe von 450 000 Euro. 400 000 Euro sind erbschaftssteuerfrei. Auf die verbleibenden 50 000 Euro fällt Erbschaftssteuer an. Der Sohn ist in Steuerklasse I, der Steuersatz beträgt bei einem Vermögen bis 75 000 Euro sieben Prozent. Sieben Prozent aus 50 000 Euro macht 3500 Euro – so viel Erbschaftssteuer fällt an auf ein Gesamterbe von 450 000 Euro.
Lösung: Wer Vermögen vererben wird, das deutlich über den Freibeträgen liegt, kann mit Schenkungen vorsorgen: Dann überträgt man schon zu Lebzeiten Vermögen als Schenkung, das dann aus der Erbmasse herausfällt. Damit muss aber rechtzeitig begonnen werden. Denn bei Schenkungen gelten dieselben Freibeträge und Steuersätze wie bei der Erbschaftssteuer, mit dem Unterschied, dass der Freibetrag alle zehn Jahre erneut genutzt werden kann. ANNETTE JÄGER
Ende der Serie
Ein mehrseitiges Dossier zum Thema „Irrtümer beim Vererben“ gibt es kostenlos per E-Mail von: ratgeber@biallo.de.