Die ersten Klänge ertönen. Die Lakaien werden instruiert, und schon erscheint Kaiserin Maria Theresia höchstselbst auf der Festung in Kufstein, in der vor gut 170 Jahren adelige ungarische Widerstandskämpfer in den Festungszellen darbten. Eigentlich ist das Erscheinen der Kaiserin in der Operette „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauß gar nicht vorgesehen, aber der Inszenierung von Gerald Pichowetz beim Kufsteiner Operettensommer in der Freiluftarena der Festung tat dieser Kunstgriff einer Rahmenhandlung gut. Vor allem tat er ihr gut, da der künstlerische Leiter Rudolf Berger dazu als Maria Theresia die bayerische Schauspielerin Monika Baumgartner engagiert hat, die heute als Mutter des „Bergdoktors“ in Deutschland und Österreich ein Fernsehstar ist und schon in den 80er-Jahren zu den großen Schauspielerinnen auf den Münchener Bühnen gehörte. In heiteren und witzigen Dialogen mit Josef Forstner, der den königlichen Sittenkommissär Conte Carnero spielte, führte sie in sanftem Wienerisch meist auf hohem Thron sitzend und das Geschehen beobachtend durch die Handlung. Dabei gab es auch Seitenhiebe auf die aktuelle österreichische Politik. Auch wenn Monika Baumgartner dabei schauspielerisch etwas unterfordert war und man ihr eine größere Rolle gewünscht hätte, waren ihre Zwischenspiele mit Josef Forstner willkommene Auflockerungen der Operette, die gerne eine, wenn auch komische, Oper sein will.
Rudolf Berger bezeichnete sie bei der Premiere in seiner Einführung als „opernhafteste Operette“ von Strauß. Die Oper hatten sich Regisseur Gerald Piechowetz und die Mehrzahl der Akteure dann auch leider als Vorbild genommen. Vor einem einfach gehaltenen Bühnenbild (Alexander Paget), das nur durch Maria Theresias Thron einerseits und einem Zigeunerwagen andererseits aufgelockert wurde, legten die durchweg guten Sängerinnen und Sänger ihr Augenmerk auf ihre Arien und Duette, sangen mit großer Pose zur Rampe hin und vernachlässigten das Spiel miteinander. Mehrzad Montazerim hätte man als Zigeunerbaron Barinkay mehr Jugendlichkeit, Leidenschaft und das erwähnte Draufgängertum bei seinem Zigeunermädchen Saffi (mit reifer Stimme Viktorija Kaminskaite), gewünscht, die sich als osmanische Fürstentochter aus Temeswar entpuppte. Erwartet anrührend war ihr berühmtes Duett „Wer uns getraut“. Ein frischer, stimmlich gut aufgelegter, allerdings zu jugendlicher Schweinefürst, den man mit viel Schminke und einem dicken Kissen erst in Form gebracht hatte, war Andreas Mattersberger. Susanna von der Burg spielte passend die alte Zigeunerin Czipra, während Marco Di Sapia forsch, frisch und präsent den Grafen Peter Homonay verkörperte. Hübsch anzusehen und gut anzuhören waren Tatiana Sokolova als Arsena, Tochter des Schweinefürsten, und Martin Dablander als ihr Bräutigam Ottokar. Angela Riefenthaler spielte typisch und durchaus witzig ihre Gouvernante und seine Mutter, die operettenhaft zufälligerweise die wiedergefundene Frau des Sittenkommissärs Carnero ist. Den sang und spielte der an Jahren schon ältere Kammersänger Josef Forstner mit jugendlichem Schwung und guter Stimme. Er war der eigentliche Mittelpunkt der Aufführung.
Opernchor Proscenium statt Ballett
Auf ein Ballett konnte man in Kufstein in diesem Jahr verzichten, denn der Festivalchor Proscenium, der sich vorwiegend aus Mitgliedern der Wiener Volksoper und der Wiener Staatsoper zusammensetzt, füllte die Bühne und die Szenen mit professionellem opernhaftem Gesang als Zigeuner, Ungarn und Soldaten. Und hin und wieder gab es auch einige Walzerschritte und -drehungen.
So unterfordert wie Monika Baumgartner erschien auch das Orchester der Staatsoper Timisoara, das seit Jahren zuverlässig auf der Festung beim Operettensommer spielt. Sie kommen zufälligerweise aus Temeswar (Timisoara), wo die Operette angesiedelt ist. Gerne hätte man von dem unter Corneliu Murgu engagiert aufspielendem Orchester längere Passagen nur von Musik gehört. Das Orchester tat sich in seinem Graben manchmal schwer, sich gegen die lautstarken mit Mikrofonen verstärkten Sänger auf der Bühne durchzusetzen. So war das Orchester zu sehr Begleitung und Beiwerk.
Aufspielen durfte es so richtig am Schluss. Da gab es Straußsche Walzerseligkeit und Heiterkeit und danach viel Beifall vom Publikum für die ansprechende Gesamtleistung, als der aus dem Krieg heimkehrende Kriegsheld Barinkay zum Baron erhoben wird und endlich seine zur osmanischen Fürstin gewordene Zigeunerbraut heimführen kann.