Rosenheim – Es gab durchaus noch freie Plätze im Kultur- und Kongresszentrum beim ersten Meisterkonzert, trotz der erfreulich vielen Schüler aus dem Ignaz-Günther-Gymnasium. Lag’s am Programm? Es dominierte nämlich – weithin unbekannte – tschechische Musik, gespielt von einem tschechischen Orchester, allerdings geleitet von einem deutschen Dirigenten.
Den, nämlich Heiko Mathias Förster, kennen die Rosenheimer Konzertbesucher noch von seinen früheren Konzerten mit den Münchener Symphonikern, deren Chefdirigent er lange Jahre war. Mittlerweile ist sein Wuschelkopf leicht ergraut, aber immer noch bewundernswert sind seine Präzision der Zeichengebung und seine vorausschauende Gestaltungskraft. Ihm zuzuschauen ist immer ein Vergnügen.
Sein jetziges Orchester, das Janácek Philharmonic Orchestra aus Ostrava, folgt ihm mit Lust und Reaktionsschnelligkeit. Wie aus einem Guss ist der Orchesterklang und doch lebendig und rührig. Das hörte man schon im Eingangsstück, in der „Balada Blanická“ von Leoš Janácek, einer tschechischen Nationalballade von einem Jüngling, der in dem Berg Blanik Rittern begegnet, deren Schwerter zu Pflugscharen werden. Erzählend und rhapsodisch bildhaft ist diese Musik, blitzend und blühend und quellend – aber nach rund zehn Minuten ist’s aus, obwohl man immer wartet: Da muss doch noch was kommen? Dass die Premiere 1920 kein Erfolg war, versteht man.
Doch man hatte die Qualitäten des Orchester gehört, allen voran die weichen Hörner und das sattblitzende und zugleich warme Blech, dazu die hervorragend aufspielenden Holzbläser. In der 1. Symphonie von Josef Suk konnten dann auch die Geigen zeigen, welch schwellend-blühenden Klang sie draufhaben. Suk war Schüler und Schwiegersohn von Antonin Dvorák, so ähnlich klingt seine Musik auch – nur ohne dessen melodische Erfindungsgabe. Frühlingshaft brausend, dann elegisch singend, stürmisch und auch mal gemütvoll tanzend: viel Atmosphäre, wenige Themen.
Mit Dvoráks Cello-Konzert war man dann wieder auf vertrautem Repertoire-Gelände. László Fenyö trat im schwarzen Anzug mit schwarzem T-Shirt auf: eine Mischung aus Konvention und Unbekümmertheit. Herrlich sonor und schwelgerisch lässt er sein Cello singen, gestaltet feinste Übergänge, wechselt organisch von praller Energie zu innig-süßem Piano, hat Mut zum drängend-verschwenderischen Melos und auch zu fahlem Flageolett, ist absolut trillersicher und liefert sich sorgsam-genaue Dialoge mit dem Orchester. Das begleitet nicht nur, sondern agiert kommunikativ, trumpft mit musikantisch-fröhlichem Pathos auf und lässt das Tragische im Adagio kräftig hereinbrechen.
Mit vielen Bravo-Rufen vermischt war dann der herzliche Applaus. Für den bedankte sich László Fenyö mit der Sarabande aus Bachs 2. Cello-Suite. Aus geradezu mystischen Tiefen holte er diese Musik herauf und zauberte Momente der Stille in den Saal, denen das Publikum geradezu andächtig lauschte. Als Zugabe sollte dies genügen, das Orchester nämlich gab keine.