Neubeuern – Eigentlich ist es eine Doppel-Ausstellung: Ofenbauer und Raumdesigner Richard Schwarz präsentiert sein restauriertes Haus am Marktplatz 13 und lud dazu den gebürtigen Neubeurer und nun in Rosenheim lebenden Maler Bernhard Paul ein, bei ihm seine neuen Bilder auszustellen. Der Besuch lohnt sich doppelt wegen der beeindruckenden Bilder und der sehenswerten gestalteten offenen Besprechungs- und Büroräume mit individuellen Öfen.
Etabliert in der regionalen Kunstszene
Paul ist schon längst in der regionalen Kunstszene etabliert und seit Längerem im Rosenheimer Kunstverein engagiert: derzeit als Mitglied des Beirats. 2010 hat er seine Ausbildung an der Akademie der Bildenden Künste in München mit Diplom abgeschlossen.
Bereits 2005 begann seine Ausstellungstätigkeit, und schon 2006 konnte er sich über einen ersten Werkankauf der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen freuen. Seit dem selben Jahr ist er ständig bei den Jahres- und Mitgliederausstellungen des Rosenheimer Kunstvereins vertreten.
Die meisten seiner neuen 25 klein- bis großformatigen Bilder, die er unter dem Titel „Polyphonia 2.0“ präsentiert, waren heuer schon in der Berliner Galerie „Anna 25“ zu sehen. Polyphonie wird definiert als Mehrstimmigkeit mit selbstständigem, linearem Verlauf jeder Stimme ohne akkordische Bindung. Dieser Bezug zu dem mehr- oder vielstimmigen Musikstil lässt ahnen, dass der Künstler engen Kontakt zur Musik pflegt. Der Maler hat in seiner Jugend Gitarre, Klarinette und Saxofon gelernt und bezieht die meisten seiner senkrecht gestalteten Bilder speziell auf die Grundlagen der Neuen Musik.
Bekannt sind seit Jahren seine Acrylbilder aus senkrecht parallel angeordneten Pinselfahrten, die er mit unterschiedlichem Anpressdruck auf der Leinwand von oben nach unten zieht. Diese reihenhafte, variierte Wiederholung der Striche in unterschiedlichen, aber harmonisch aufeinander abgestimmten Farben könnten technikaffine Musikschaffende an die Dynamik-Ausschläge der farbigen Balken auf den Monitoren elektronischer Musikaufzeichnungsgeräte erinnern, aber damit wird man wohl dem Hintergrund Paul’scher Bilder nur unzulänglich gerecht.
Es war Claude Monet, der 1890 mit seinen Lichtstudien der Fassade der Kathedrale von Rouen bei unterschiedlichem Sonnenstand das Serielle in die Malerei eingebracht hat. Die Neue Musik folgte ab 1910 ähnlichen Prozessen, brachte, wie anfangs die Impressionisten und später die abstrakte Malerei, eine neue musikalische Sprache hervor.
Diese Entwicklung der Musik nimmt Paul als Grundlage für seine Bildsprache. Namentlich bezieht er sich auf die Komponisten Wolfgang von Schweinitz, John Cage, Steve Reich und Philip Glass. Paul setzt deren Arbeitsweise um in die sorgfältigst nebeneinander angeordneten, farblich changierenden Pinselstriche, die in einem gewissen zeitlichen Abstand erfolgen müssen, um nicht ineinanderzulaufen – das heißt: Erst muss der jüngste Strich getrocknet sein, damit der nächste gesetzt werden kann. Hier arbeitet ein Farbsetzer kühn auf den Spuren der Tonsetzer.
Variation bietet
die Serie „Modus“
Eine Variation dazu zeigt Paul mit seinen Werken der Serie „Modus“. Hier kreuzen sich breite Linien, dazwischen einzelne farbige. Wieder ist jede einzelne Pinselfahrt in jeweils unterschiedlicher Intensität ausgeführt und schafft damit eine duftige Leichtigkeit. Trotz der komplexeren Komposition gewinnen diese Bilder räumlich fast eine weitere Dimension als die Senkrecht-Bilder. Das weitmaschige Netzwerk erinnert ein wenig an die sich optisch kreuzenden an den Himmel „gemalten“ Kondensstreifen von Düsenflugzeugen – und lässt den Betrachter ein wenig von Sphärenmusik träumen.
Die Ausstellung „Polyphonia 2.0“ von Bernhard Paul ist montags bis freitags von 10 bis 16 Uhr oder nach Vereinbarung unter der Telefonnummer 0152/21995809 bei Ofenbau-Schwarz in Neubeuern, Marktplatz 13, bis 10. Dezember zu sehen.