Rosenheim – Wie klingt das Universum? Klingt es überhaupt? Hat der griechische Philosoph Pythagoras Recht, der behauptet, das Weltall klinge, und der heilige Augustinus, der sagte, die Welt sei ein einziges Lied, oder gar der heutige Philosoph Michel Serres, der postuliert, schon die Schöpfung sei in Musik geschehen? Oder ist das Universum nur feierlich still? Dieser Frage gingen viele Mitwirkende in einer Wort-Musik-Bild-Collage in der Rosenheimer Nikolauskirche nach. Anlass dafür war die feierliche Enthüllung eines übergroßen Farbholzschnittes des Bad Aiblinger Künstlers Ludwig Gruber mit dem Titel „Mein kleines Universum“.
Anfangs philosophierte Stadtpfarrer Andreas Maria Zach, der auch Physik studiert hat, über das „Geheimnisvolle im Wirklichen“, zitierte Platon und Aristoteles und endete mit einem Zitat von Blaise Pascal: „Der Mensch trägt in sich eine Spur, die ihn nicht vergessen lässt, dass er woandersher kommt.“
Dann trat Renate Mayer ans Mikrofon, erzählte von Grubers Inspiration durch die Klänge von Tschaikowskys Bühnenmusik zu „Schneeflöckchen“. Dessen Introduktion klinge wirklich wie die Geburt des Kosmos. Passend wäre auch seine Fantasie-Ouvertüre „Der Sturm“. Mayer gab die Stichworte des Abends vor: Finsternis und Licht, Stille und Musik. Sie trug sorgsam artikulierend und bedachtsam Pausen setzend mit bedeutsam-warmer Stimme Texte aus dem Buch „Eine Handvoll Sternenstaub“ von Laurenz Marti vor, das in poetischen Worten die Wunder des Universums beschreibt.
Musikalisch umrahmt und hervorgehoben wurden Bild und Text nicht von dem Glaskünstler Florian Lechner, der erkrankt war, sondern von Moni Schönfelder, die alles mit Lechner konzipiert hatte, und Stephan Fischer, der kurzfristig einsprang.
Beide erzeugten mit einer Reihe von Instrumenten kirchenfüllend-wohlklingende mystische Sphärenmusik: mit Saxofonen, Hackbrett, Cajon, amerikanischen Trommeln, Klangschalen, Flöte und einer Klangmaschine. Musik, die wahrlich aus der Stille kam und wieder in diese verschwand.
Es ward Licht: Kunstwerk erschien
Ein lauter Gongschlag erscholl wie ein Urknall, der Vorhang fiel, es ward Licht und das Kunstwerk erschien: Der große Farbholzschnitt besteht aus fünf senkrecht hochragenden Teilen. Die beiden Ränder sind in Tiefblau gehalten, der Farbe der Unendlichkeit, die Mitte ist eher Weiß auf Schwarz. Zu sehen sind viele Sterne, Galaxien, Milchstraßen, Sternschnuppen, Kometenschweife, Planetenlaufbahnen und (Schall-)Wellen, dazwischen Blitzzacken, einige Noten und fast sogar etwas wie die Umrisse eines Cellos. In der Mitte führt steil eine Planetenlaufbahn bogenförmig nach oben und ergibt mit dem breiten weißen Kreis darüber samt einem den Bogen durchschneidenden Kometenstreif so etwas wie eine alles überragende, den Rahmen sprengende Gestalt: Fast wie der Weltenschöpfer, der mit seinem Dirigierstab die große Weltenmusik beginnen lässt.
Am Ende dieser Inszenierung wurde das „kleine Universum“ ganz blau und dann ganz dunkel, nur hoch oben im Kirchenschiff war im Schlussstein des Gewölbes die Taube, das Sinnbild für den Heiligen Geist, angestrahlt: ein gedankenstarkes Schlussbild.
Das meinten auch die Zuhörer beziehungsweise Zuschauer, die die Nikolauskirche bis auf den letzten Platz gefüllt hatten und lange und herzlich applaudierten. „Das kleine Universum“ ward geboren und sein Schöpfer Ludwig Gruber war glücklich.