Erl – Während wir längst sämtliche Berge von Geschenkpapier fein säuberlich entsorgt haben und der Tannenbaum bereits die Nadeln verliert, wird bei den russisch-orthodoxen Christen das Weihnachtsfest gefeiert. So verwunderte es nicht, dass das Chorkonzert mit russischen Weihnachtsliedern und Chorälen im Rahmen der Tiroler Festspiele Erl erst im neuen Jahr stattfand. Als musikalischer Höhepunkt erklang „Das große Abend- und Morgenlob – Vesper“ op. 37 von Sergej Rachmaninow, ein Zyklus aus polyfonen Kompositionen für gemischten Chor, den die Chorakademie der Tiroler Festspiele Erl zu Gehör brachte. Die musikalische Leitung hatte Pavel Sopot.
Kraftvolle Fröhlichkeit verströmte gleich zu Beginn „Alle Engel freuen sich“ von Michail Strokin, ein Weihnachtslied aus dem 19. Jahrhundert, bei dem der Chor seine hohen gesanglichen Qualitäten demonstrierte. Hell, lebhaft und beschwingt erklang das Lied „Schedrik“. Mit viel Sinn für den heiter-naiven Text intonierte der Chor das sich wiederholende Gezwitscher der Schwalbe, die dem Wirt empfiehlt, seine Lämmer zu verkaufen, um mit dem Geld seine Frau zu erfreuen.
Das Lied „Der Herr ist mit uns“ von Wasilij Zinojew nahm den Hörer durch seinen feierlichen Ernst gefangen. Im Wechsel erklangen weibliche und männliche Solostimmen, die Gott preisen und loben. Emphatisch steigerte sich das Lied im Ausruf „Der Herr ist mit uns“. Eine hohe Klangkultur zeigte die Chorakademie auch in „Herr Gott, dich loben wir“: Klangmächtig und deutlich artikuliert sangen Männer und Frauen von der göttlichen Macht und Herrlichkeit, andächtig-gedämpft erklang die Bitte nach himmlischer Teilhabe. Nach dem feierlichen „Amen“ setzte lang anhaltender Beifall ein.
Voller elegischer Schönheit und eingerahmt vom Chor der Männer war die Altstimme in „Preise den Herrn meine Seele“ aus Rachmaninows „Vesper“. Die umfangreiche, 1915 entstandene Komposition besitzt immer wieder Passagen sanft strömender Melodik. Rein und klar ertönten die Tenöre in der vierten Komposition „Stilles Licht des heiligen Ruhmes“, raumfüllend jubelten die Frauen das „Halleluja“. Manche Teile wie das siebte Stück klangen dunkel und schwerblütig, bei den abschließenden Weihnachtsliedern überwog jedoch ein fröhlicher und lebhafter Ausdruck.
Schade nur, dass eine kurze Einführung zu den Kompositionen fehlte. So genoss man ganz unbefangen die feierlich-erhabene Stimmung und den dunklen, fremdartigen Klang der russischen Sprache. Als nach dem anhaltenden Beifall als Zugabe mehrsprachig „Stille Nacht, heilige Nacht“ erklang, war man melodisch wieder auf vertrautem Terrain. Die dritte Strophe auf Deutsch sangen denn auch der Chor und das Publikum, von Dirigent Pavel Sopot freundlich animiert, mit spürbarer Inbrunst und Ergriffenheit.