Verliebt in drei blaue Augen

von Redaktion

Bitterböse, zugleich wunderschön – Patrick Hahn in Erl

Erl – „Ich wette, dass es keinem Sänger und Pianisten gelingen wird, sich an ein Klavier zu sitzen und ein Stück von Georg Kreisler zu singen (…) Was heißt, zu singen: Mit Leichtigkeit und knisterndem Witz zu singen und dabei noch zu variieren und auf sein Publikum direkt zu reagieren“, behauptete Eva Menasse bei ihrem Nachruf auf Georg Kreisler 2011.

Aus ihrer Sicht ist es unerhört, was sich Patrick Hahn, dieses blutjunge Ausnahmetalent aus Graz, bei den Tiroler Festspielen in Erl erlaubt hat. Zum Glück ließ sich der 23-jährige Dirigent, Komponist, Pianist und Preisträger zahlreicher Wettbewerbe, von der Wette nicht beeindrucken und widmet sich seit zwei Jahren aus „Jux und Zufall“, wie er selbst sagt, und mit großem Erfolg den Kreisler-Chansons.

„Tauben vergiften im Park für Fortgeschrittene“ – ein bitterböser und zugleich wunderschöner Abend erwartete das Publikum, das sich mit Hahn aufmachte, um einen messerscharfen Blick auf die klassische wie auch populäre Musikszene zu richten. Niemand vereinte in seinen Liedern so viel schwarzen, tiefsinnigen Humor, so viel Sprachwitz, wie der 1922 in Wien geborene Georg Kreisler, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft 1938 aus Wien nach Amerika emigrierte, 1943 die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm und 1955 nach Europa zurückkehrte.

Doch Patrick Hahn ging es in Erl nicht darum, Kreisler-Chansons platt zu reproduzieren, sich mit seinem Vorbild zu vergleichen, sondern diesen scharfsinnigen Blick auf unser Leben zu eröffnen, den wir aufgrund der vielen oberflächlichen Comedians, die derzeit allenthalben in den Medien ihren vermeintlichen „Spaß ablassen“, vielfach verloren haben: Einen genauen Blick auf das Bitterböse und das Wunderschöne zugleich. Man betrachte nur Kreislers seltsames Liebeslied auf das Mädchen mit den drei blauen Augen als Antwort auf eine Welle von Schnulzen-Liedern, die ihn nicht sonderlich begeisterten – herrlich sinnlos: Es gibt sehr viele Menschen mit zwei blauen Augen, doch nur mein Mädel hat drei blaue Augen. Wenn sie schläft, schließt sie zwei und mütterlich wacht das Dritte über mich.“ Und so liegt noch heute ein Zauber auf Kreislers unheimlichen, unnachahmlichen Stücken. Ein Zauber, den Patrick Hahn mit Leichtigkeit und virtuosem Spielwitz am Flügel auf die Zuhörer in Erl übertrug – und sie erlagen ihm vollends.

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