Wanderschaft in den Tod

von Redaktion

Franz Schuberts „Winterreise“ mit Anahita Ahsef und Thomas Hartmann

Traunstein – „Eine Krähe war mit mir aus der Stadt gezogen….“, der Chieminger Pianist Thomas Hartmann tritt aus dem Dunkel in den feucht-kalten Eiskeller der Festung in Traunstein. Mit ruhigem Gesang setzt er sich an seinen Flügel inmitten des Publikums. Kalt ist es. Dunkel. Es tropft von der Decke. Die Enge, die Eiseskälte, die Feuchtigkeit versinnbildlichen die Einsamkeit und die enttäuschte Liebe des Wanderers aus Wilhelm Müllers Textvorgabe für Franz Schuberts „Winterreise“.

Mitten aus dem Publikum erhebt sich eine durchdringende Sopranstimme. Im Wintermantel begibt sich Anahita Ahsef in Begleitung von Hartmann auf diese ungewöhnliche Umsetzung der „Winterreise“. Ahsef ist vom ersten Moment an tief im Thema, transportiert auf höchstem Niveau gesanglich und im Ausdruck die Themen. Hartmann schleicht sich meisterhaft auf den Tasten in Schuberts Komposition, interpretiert in den zumeist in Moll-Tonarten vertonten Lieder, die zugleich Symbol des Lebens und Leidens des Komponisten waren – zutiefst berührend. Ahsef hat sich auf den Weg gemacht, steht, singt, bewegt sich sehr langsam durch den Raum. Lichtere Stimmung und Hoffnung, die sich aber später als Täuschung herausstellen soll, keimt in den in Dur-Tonart gehaltenen Liedern „Der Lindenbaum“ und „Frühlingstraum“ auf.

Die sensibel und leise einleitenden Klavierakkorde zu den Liedern klingen wie eine Stimme aus der Ferne. Sehnsucht, Rückblick, Abschied. Erschöpfung spricht aus dem Lied „Rast“. Mit „Frühlingstraum“, ein letztes Hoffen: Müller beschreibt einen Traum von Liebe: „Ich träumt von Lieb um Liebe…“. Dieses Lied bildet den Prolog zu dem folgenden Lied, „Einsamkeit“. Die Zeichen stehen nun auf Resignation, Tod und Erlösung, die vielleicht im Liederzyklus herbeigesehnt wird. Mit dem Lied „Der Leiermann“ klingt die fantastische „Winterreise“ aus.

Den Zuhörern wurde eine höchst bemerkenswerte Leistung geboten, zumal ursprünglich die Lieder ja für einen Mann geschrieben wurden. Die unfassbare Intensität, mit der Ahsef und Hartmann sich auf die gemeinsame „Winterreise“ machten und die gefühlvolle, erfreulich einfach strukturierte Inszenierung (visuelle Konzeption) von Lilly Hartmann, kürte ihre Premiere mit verdient jubelndem Applaus.

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