Sachrang – Hansjörg Schellenberger, 1948 in München geboren und nahe Regensburg aufgewachsen, studierte anfangs Oboe und Mathematik, ehe er sich für die Musik entschied. 1971 siegte er im Fach Oboe beim deutschen Hochschulwettbewerb, 1972 folgte der zweite Platz beim ARD-Wettbewerb von München. Mannigfach ist auch sein musikalisches Wirken: Solo-Oboist beim Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester und bei den Berliner Philharmonikern, Kammermusik und Dirigate mit namhaften Ensembles aus aller Welt, Lehrtätigkeiten in Deutschland, Italien, Spanien und Japan, eigenes CD-Label, Meisterkurse für junge Künstler und Konzertreihen in Sachrang, wo er seit Jahren zu Hause ist. Zusammen mit seiner Frau, der Harfenisten und Musikprofessorin Margit-Anna Süß, lebt er mit und für die Musik. Vor Kurzem feierte er seinen 70. Geburtstag.
Professor Schellenberger, Sie gewannen den Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“, holten den ersten Preis bei einem Wettbewerb für Nachwuchsdirigenten. Warum dann das Studium der Mathematik?
Hansjörg Schellenberger: Mathematik war neben Musik mein Lieblingsfach in der Schule. Als ich noch als Schüler bei einer Aufführung von „Eugen Onegin“ am Regensburger Stadttheater an der Oboe als Ersatz einspringen durfte, habe ich aber gemerkt, dass das Leben als Orchestermusiker nicht alles ist.
Sie sind ja nicht nur Musiker, sondern auch Dirigent und Lehrmeister. Was ist Ihnen davon am liebsten?
Für mich ist Musik göttliche Schöpfung. Damit umgehen zu dürfen, ist für mich ein Privileg. Mit der Musik kann und will ich nie aufhören. Und so lange ich spielen kann und darf, will ich auch weiter musizieren. Aber in einem Orchester ist mit 65 Jahren Schluss, also bin ich schon vorher bei den Berliner Philharmonikern ausgestiegen.
Zu Ihnen kommen viele talentierte junge Musiker, da bleiben Neid und Enttäuschung nicht aus. Wie gehen Sie damit um?
Als Lehrer habe ich ja auch Verantwortung. Da muss man schon auch sagen können: „Bei dir wird es nichts mit einer Karriere.“ Für eine Aufnahme in einem Orchester braucht es beispielsweise Zeit, Erfahrung und Nerven – und das hat viel mit Psychologie zu tun. Für ein Studium braucht es eine Aufnahmeprüfung, während zu meinen Meisterkursen eigentlich jeder kommen kann. Da habe ich ein Mischprinzip aus Kurs und Privatstunden. Diese Jungen sind noch jung und unbehauen. Aber man hört schnell, ob der Instrumentalist ein Handwerker oder Künstler ist.
Stichwort Kunst: Lassen Sie sich beim Musizieren und Dirigieren reinreden?
Musik ist Auseinandersetzung, da halte ich es mit Harnoncourt, dessen Werke „Musik als Klangrede“ und „Der musikalische Dialog“ für mich Katechismen sind. Ich bin ja nicht der Komponist.
Sie haben auf mehr als 50 CDs Ihre musikalische Tätigkeit bei allen großen Tonträgerfirmen demonstriert und haben vor über zehn Jahren Ihr eigenes Label Campanella Musica mit Werken von Carl Philipp Emanuel Bach, Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven sowie mit einem französischen Barockprogramm und Werken moderner Klassiker gegründet. Gehen Ihnen nie die Ideen aus?
Was musikalische Programme angeht, da habe ich einen riesigen Fundus. Ich habe auch keine Vorlieben. Schon zu Studienzeiten haben wir moderne Werke aufgeführt, aber ich verehre auch Haydn und ich liebe Mozart und Schubert. Thomas Mann hat einmal gesagt: „Entscheidend ist die Schöpfung“, und Musik ist für mich göttliche Schöpfung!
Zwei Ihrer Kinder sind auch Profi-Musiker geworden. Haben Sie da reingeredet?
Nein, wenngleich alle unsere Kinder ein Instrument gelernt haben und auch heute noch spielen. Trotzdem sagt meine jüngste Tochter, dass zu viel Musik im Haus ist.
Aber Musik ist doch etwa Schönes!
Ja, das schon, Musik ist kein Luxus, sondern Grundlage. Sie erfordert Respekt und Rücksichtnahme und sollte deshalb für alle Schüler obligatorisch sein. Dass Musik, also Kultur, als Luxus erachtet wird, ist falsch und stimmt mich traurig.
Interview: Elisabeth Kirchner