Die Fastenzeit in ihrer ganzen Tiefe

von Redaktion

Professionalität, Empathie, Schlichtheit: Das Quintett „Vienna Vocal Consort“ zu Gast in der Klosterkirche Au am Inn

Au am Inn – „Lassen Sie einfach zu, was da kommt – und Sie werden ein großes Geschenk mit nach Hause nehmen“. Diesen Rat gab Martin Kebinger den Gläubigen, die sich zum Besuch des Gastspiels von „Vienna Vocal Consort“ in der Auer Klosterkirche entschlossen hatten. Und das war gut so. Nicht jeder ist bereit, sich ohne Erwartungen hinzusetzen, anzunehmen, was geboten wird, sich zu öffnen für eine gute Stunde geistlicher Vokalmusik – ein wahres Geschenk für alle, die sich in der Fastenzeit auf Ostern zubewegen.

Noch ist es an der Zeit, sich mit Christi Leiden und Sterben zu beschäftigen – und die Kunst, zumal die Musik gibt dazu reichlich Gelegenheit. „Passio 2018“ betitelte das aus Wien angereiste Quintett sein vom Förderkreis Mathis-Orgel ausgerichtetes Gastspiel in Oberbayern.

Schwer zu glauben, dass, laut Martin Kebinger, die fünf Ausführenden mit einer Ausnahme keine Berufssänger sind; gelang es ihnen doch, durch Professionalität, textliche Empathie und Schlichtheit in Auftreten und Stimmgebung zu bewegen. Mit Gesängen von Kirchenkomponisten, die zwischen 1505 und 1699 geboren wurden, in jener Zeit, die noch der Renaissance angehört, aber bereits zum „Generalbass“ übergeht.

Da wird, in der „barocken“ Vokalmusik, meist noch schnörkellos und schlicht, nur selten mit einer kleinen Portion Überschwang erzählt, was Sache ist. Die Fähigkeit, die Vertonungen religiöser, namentlich liturgischer Texte in ihrer ganzen Tiefe zu präsentieren, besteht nicht zuletzt in der Sparsamkeit des Aufwands. Genau das gelang den beiden perfekten Solistinnen (Elke Pürgstaller, Sopran, und Cornelia Sonnleitner, Alt), dem leise den Takt gebenden Tenor Martin Stepanek, dem fallweise erläuternden Bariton Michael Stelzhammer und dem vorzüglichen Bassisten Christoph Chlastak-Coreth auf gewinnende Weise.

Ihr Zugpferd: Joachim von Burcks, bald leicht dahinfließend, bald sanft dramatisch ausbrechend, gestaltete „Deutsche Passion nach Johannes“. Die allererste vertonte Leidensgeschichte Christi in deutscher Sprache entstand zehn Jahre nach Martin Luthers Thesenanschlag. Wann wird sie schon aufgeführt?

Eine Überraschung: Juan Francés de Iribarrens kurzes, umso ergreifenderes „Stabat Mater“. Anspruchsvoll: die Fünfer-Auswahl der „Tenebrae Responsories“ von Tomás Luis de Victoria, die man gerne auch in deutscher Übersetzung in die Hand bekommen hätte. Ergreifend: Luthers letzte Worte am Sterbebett mit der Bitte „Nimm mein Seel hin zu dir“ des biografisch neu entdeckten Ansbacher Theologen und Tonschöpfers Caspar Othmayr – Elke Pürgstaller ging dafür in Abstand zu den übrigen „Consorten“.

Das Konzert begann („Terra tremuit“) und endete (als Zugabe: „Miserere“) mit Werken von William Byrd. Es hätte, trotz kalter Kirche, gerne noch weitergehen können.

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