Edling – Das Theaterbüro Herwegh ist mit seinem Königlich Bayerischen Amtsgericht wieder „gerichtsmassig“ unterwegs. Am „Stoa“ wurde diesmal ein ganz besonders verzwickter Fall mit unabsehbaren Folgen verhandelt. Angeklagt war ein verschmähter Liebhaber, der schließlich die Schlacht von Kraglfing auslöste.
„Es war eine liebe Zeit, die gute, alte Zeit vor anno 14. In Bayern gleich gar.“ So sah es jedenfalls Autor Georg Lohmeier in seinen Gerichtsszenen, die in den 70er-Jahren Fernsehgeschichte geschrieben haben. Schon damals wurde gestritten, dass die Fetzen flogen, erst im Wirtshaus, später vor Gericht. Jörg Herwegh und sein Ensemble haben die vermeintlich gute alte Zeit mit einer neuen Gerichtsposse wieder zum Leben erweckt.
Dabei begann die Geschichte von der „Schlacht von Kraglfing“ eigentlich ganz harmlos. Die kleine Hanna findet ein altes Fotoalbum. Das scheint verhext zu sein, denn die abgelichteten Personen wirken lebendig. Hannas Großvater hat dann die Erklärung. Er kann sich noch an die vergilbten Bilder erinnern. Sie waren damals zum Amtsantritt des neuen Richters Zwicknagl bei seiner ersten Verhandlung entstanden. Die Zeitreise in das Jahr 1912 begann.
Nachstellung und Körperverletzung
Angeklagt war Fürchtegott Schweizer, Realitätenbesitzer aus München. Ausgerechnet Beatrice von Ihlenau – sie war mit Schweizer zum „besseren Kennenlernen“ nach Kraglfing gereist – hatte ihn wegen Nachstellung und Körperverletzung angezeigt. Zwicknagl konnte den wahren Sachverhalt schnell klären. Frau von Ihlenau hatte nämlich den Kraglfinger Bürgermeister Gernstl für sich als die wohl bessere Partie entdeckt.
Trotz Freispruch ließ aber das Happy End vorerst auf sich warten. Denn Gernstl wollte Zwicknagls Abwesenheit als Streitschlichter nach einer Masskrug-Attacke nutzen. Doch statt sich wieder zu vertragen, gerieten die Dorfhonoratioren vollends außer Rand und Band. Noch im Gerichtssaal nahm die Schlacht von Kraglfing ihren Lauf.
Jörg Herwegh hatte sich die turbulente Geschichte ausgedacht, die Regie und auch gleich zwei der Hauptrollen übernommen. Er überzeugte erst als Großvater und dann als Bürgermeister Gernstl. Fritzi Binsteiner spielte Hanna. Brigitte Schwab gab deren Oma und die streitsüchtige Lermoserbäuerin. Perfekt aufeinander eingespielt waren auch Andreas Faltermeier als übereifriger Gerichtsschreiber Weidinger und Steps Lossin als Justizwachtmeister Wiggerl. Dessen „Jawoi, Herr Rat“ sorgte für Lacher ohne Ende.
Aber auch Kirsten Lossin als nonchalante Frau von Ihlenau und Richard Röckl als liebestoller Realitätenbesitzer standen in der Gunst des Publikums ganz oben. Letzterer eroberte zumindest die Herzen der Kraglfingerinnen (Constanze Baruschke, Theresa König und Katrin Bürstlinger) im Sturm. Die Kraglfinger (Jorgo Grebenikow, Felix Holzapfel, Chris Blunser und Simon Mühlbacher) waren davon allerdings weniger begeistert. Amtsrichter Dr. Zwicknagl wurde von Gerd Niedermayer dargestellt als Jurist mit Herz und Verstand.
Es gab viel zu lachen vor Gericht. Ähnlichkeiten mit dem Fernsehklassiker von Pepi Scherflers „Original Amtsgerichtspolka“ bis hin zu den grandios überzeichneten Figuren waren wohl eher beabsichtigt als rein zufällig. Da kam fast ein wenig Wehmut auf, scheint doch die Ära der großen Volksschauspieler im Fernsehen vorbei zu sein. Doch es bleibt ein Trost: Es gibt sie noch auf Laienbühnen, wie das Theaterbüro Herwegh beweist.