Aschau – Ein gutes Festival wagt den Spagat zwischen Sinn und Sinnlichkeit. Wer nur auf Unterhaltung und die ewiggleichen Ohrwürmer des Repertoires setzt, eine Kulinarik mit Glitzer und Glamour, scheitert kläglich. Da können das Ambiente oder die Verpackung noch so schön sein. Festivo zählt zu den guten Festivals, weil hier alles stimmt: das großartige Ambiente rund um das Bilderbuch-Schloss Hohenaschau und das kluge Programm, kenntnisreich und zeitgemäß interpretiert.
Bei Festivo dreht sich alles einzig um die Musik, ganz ohne Gesellschafts-Klimbim und Schnickschnack. Gleichgesinnte kommen zusammen, um Musik zu machen oder Musik zu erleben. Festivo ist ein Ort der Begegnung, noch dazu eine Werkstatt der Interpretation. Für dieses Profil stehen auch die insgesamt acht Konzerte, die in diesem Jahr von Donnerstag, 26. Juli, bis zum Sonntag, 12. August, in die Chiemgauer Voralpen-Idylle locken.
Barock-Arien und Instrumentalwerke
Schon beim Eröffnungskonzert wird der besondere Festivo-Geist gelebt. Hierzu gastiert das gefeierte Originalklang-Ensemble „Il Giardino Armonico“ von Giovanni Antonini. Mit der famosen Sopranistin Anna Prohaska, eine Garantin für agile Stilsicherheit, geben sie einen Barock-Abend mit Opern-Arien und Instrumentalmusik zum Besten. Denn bei Festivo wurden schon immer Hörgewohnheiten konsequent hinterfragt, was eben auch die historische Aufführungspraxis berührt.
Mit dieser Pflege eines Originalklangs hat Festivo schon frühzeitig eine sträfliche Lücke im Musikleben Oberbayerns konsequent geschlossen. Selbst die Musikmetropole München ist auf diesem Gebiet noch immer viel zu schwach aufgestellt. Zugleich ist Festivo schon immer eine besondere Nachwuchsschmiede gewesen. Hier setzt man nicht nur auf die großen Namen, sondern schenkt auch Jungtalenten ein Podium.
Zu den Festivo-Zöglingen zählen der Violinist Thomas Reif und der Pianist Christoph Declara aus Rosenheim. Beide bestreiten diesmal einen Kammerabend: gemeinsam mit Wen Sinn Yang, dem früheren Solo-Cellisten beim BR-Symphonieorchester (Samstag, 28. Juli). Darüber hinaus werden Musiker eingeladen, die bestens zu dem besonderen Festivo-Geist passen. Dafür stehen die diesjährigen Debütanten: die Pianistin Silke Avenhus und Reto Bieri. Der Schweizer Bieri zählt zu den großen, aufregenden Klarinettisten. Er ist nicht zuletzt ein profunder Kenner der modernen und zeitgenössischen Musik, wie Aufnahmen beim Münchner CD-Label ECM belegen. Als Interpret kennt Bieri keine Grenzen, und genau diese Haltung wird auch beim Kammerabend am Dienstag, 31. Juli, bei Schattdecor in Thansau bei Rohrdorf gelebt. In der ersten Hälfte erklingt die „Kleine Suite“ nach „L‘Histoire du Soldat“ von Igor Strawinsky.
Mit dem Stück hat Strawinsky 1918 den neuen Typus des epischen Musiktheaters geschaffen. Die Geschichte kreist um den Pakt zwischen Mensch und Teufel, ein Lieblingsthema des Volkstheaters. Ein Soldat kehrt von einem Feldzug zurück, um auf dem Heimweg auf den Teufel zu treffen. Das weitere Programm schlägt eine Brücke von Mozarts „Kegelstatt-Trio“ über die „Märchenerzählungen“ von Robert Schumann bis hin zu den „Kontrasten“ von Béla Bartók.
„Opern im Taschenbuchformat“
Ein experimentelles Format sind bei Festivo die „Opern im Taschenbuchformat“. Dabei wird das Orchester auf ein Kammerensemble reduziert und die Handlung schärfend gestrafft. Als „Conferencier“ führt Festivo-Leiter Johannes Erkes durch den Opernstoff. Auf diese Weise wird nun der Buffa-Hit „Don Pasquale“ von Gaetano Donizetti präsentiert (Samstag, 4. August). Das Ergebnis ist ein kluger Spaß für die ganze Familie. Bei Festivo herrscht eben keine Routine: Hier werden das Heute und das Morgen beharrlich entwickelt.