Wurde vor wenigen Wochen mit dem Oberbayerischen Kulturpreis des Bezirks ausgezeichnet: Elfriede Ringsgwandl.
Riedering – Elfriede Ringsgwandl, Chefin des Himmegugga-Theaterzeltes in Riedering, hat vor wenigen Wochen im Kloster Seeon den Oberbayerischen Kulturpreis 2018 erhalten, zusammen mit dem Theaterautor und Regisseur Marcus Everding. Die Jury bewies ein gutes Händchen, denn mit ihrer Wahl zeigte sie, dass Theater nach wie vor von der Vielfalt lebt. Festspiele, Operninszenierungen und Regiearbeit waren und sind Everdings Domäne, aktuell verbindet die beiden Preisträger aber das Volkstheater. Auch das lebt von der Vielfalt und ist in keine eindeutige Schublade zu packen.
Eine eigene Art
von Theater
Friede, wie ihre Truppe sie nennt, war eine jener frühbegabten Kreativen, die in ihrer Umgebung und in der Familie niemanden wirklich interessieren. Ein Mädchen vom Dorf wollte auf die Bühne, nicht als Schauplatz für sich selber, sondern für ihre Geschichten, für die sie sich eine eigene Art von Theater vorstellte.
In Riedering war sie schon als Schulmädchen dafür bekannt, dass sie mit den Dorfkindern gerne etwas in Szene setzte. „Wenn sie wo auftauchte, dann wurde es für uns spannend, denn dann passierte irgendwas“, sagt Sepp Staber, Chef der „Jungen Riederinger Musikanten“ und wichtiger Mitspieler des heutigen Ensembles. Beim Dorffasching bot sich Elfriede Ringswandl die Gelegenheit, ihre Ideen wenigstens in Ansätzen zu realisieren. Die von ihr inszenierten Sketche fielen aus dem Rahmen und erregten Aufmerksamkeit. Doch bis zur eigenen Bühne war es noch ein weiter Weg, den sie über viele Jahre gegen Unverständnis mit viel Nachdruck verfolgte. Der Entschluss, endlich „Nägel mit Köpfen“ zu machen, kam dann mit dem richtigen Partner: Erwin Ringsgwandl, Musiker, gelernter Metall-Bildhauer und heute Theater-Techniker, zuständig für alles zwischen Zeltverankerung, Licht- und Tontechnik.
Beide beschlossen, Elfriedes erstes großes Theaterstück auf die Bühne zu bringen: „Der Zigeunerbauer“ hieß es und war zu sehen in der mit viel Fantasie umgebauten Tenne „beim Deni“ in Wieden bei Neukirchen, oberhalb des Simssees. Die Premiere 1998 brachte die stattliche Zahl von 94 Mitspielern auf die Bühne, der Erfolg war beachtlich, denn dergleichen hatte das Publikum noch nie gesehen. Trotzdem war nach 36 Aufführungen mit der Neukirchner Inszenierung Schluss – aber mit der Idee von der eigenen Bühne noch lange nicht.
1200 Aufführungen des „Himmegugga“
Ihr zweites Stück „Da Himmegugga“ – inzwischen mit 1200 Aufführungen ein Theater-Mythos – brachte dann 2006 den Durchbruch. Spätestens jetzt wurde klar, dass ihre Theaterstücke besondere Eigenschöpfungen sind, kein Hauch einer Anleihe bei anderen Autoren, bewährten Themen oder gar Trends. Die einzige, erste und auch letzte Hilfestellung war ein Besuch in der Waldbühne des Theater-Autodidakten Martin Winkelbauer in Halsbach. Danach wusste sie, dass gehen wird, was sie schon immer wollte: eine anspruchsvolle Geschichte „in einfachen Worten, so wie wir reden“ auf die Bühne zu bringen.
Das ist sicher der wichtigste Teil ihres Erfolgsrezeptes. Hinzu kommen die verständlichen „Botschaften“ der Stücke, die eine Zuschauerin im Gästebuch zur Frage veranlasste „Wie man nur auf solche Stücke kommt? Jetzt weiß ich es. Die schrieb das Leben!“ Die Botschaft aller Stücke ist, kurz gefasst: Toleranz, Freiheit, Mitmenschlichkeit, aber nicht mit erhobenem Zeigefinger vermittelt, sondern mit einer allen Stücken eingepflanzten Leichtigkeit. Überraschende Gags, Heiterkeit, und vor allem Musik, Tanz und Tontechnik – nirgends sind aufziehende Gewitter bedrohlicher als im Riederinger Theaterzelt – mit solchen Eindrücken wird der Zuschauer beschwingt nach Hause geschickt, wo er dann Zeit hat, die hinterkünftigen Botschaften ins Bewusstsein sickern zu lassen.
Ein weiterer Grund für den Erfolg: Das Theaterzelt als unverwechselbarer Schauplatz, wo jeder Gast schon beim Eintreten in eine besondere Stimmung versetzt wird. Das erste Zelt in Ecking war noch ein Eigenbau, der immerhin mit dem „Himmegugga“ auf dem Münchner Tollwood gastiert hat. Das aktuelle Zelt in Riedering ist ein fest installiertes, viermastiges 600-Quadratmeter-Zirkuszelt italienischer Bauart.
Aus all dem erklären sich die erstaunlichen Fakten: Vier eigene Theaterstücke – „Da Himmegugga“, „Gsindlkind“, „Der Zigeunerbauer“ (Neuinszenierung) und „Elias“ – jedes über Wochen und Monate im Voraus ausverkauft, bisher insgesamt über 1500 Aufführungen mit bald 200000 Besucher und das alles nur über Mundpropaganda und ohne wirklichen Werbeetat.
„Das gibt‘s
ganz selten“
Unter den rund 70 Mitwirkenden, alle ordentlich angestellt, sind auch etliche Profis, von denen ein Ehemaliger, der Rundfunksprecher und Musical-Komponist Thomas E. Killinger, bekennt: „Schön, dass ich dabei sein durfte bei dieser wirklich einzigartigen Theatergeschichte! Das gibt’s in Deutschland ganz selten. Diese enge Verbandelung mit der Region und dass es so gut klappt bei einer wirklich großen und vielschichtigen Truppe, das hat mit dem Charisma einer Elfriede zu tun, und auch mit dem Erwin. Was die beiden da einbringen, ist etwas, was man auf keiner Theaterschule lernt!“
Elfriede Ringsgwandl gehört nicht zu denen, die irgendwann einmal beschlossen haben, „etwas mit Kultur“ zu machen. Sie trägt Kultur nicht wie ein Plakat vor sich her, sie lebt Kultur, zusammen mit ihrer ganzen Familie und dem Riederinger Ensemble. Ihre Tochter Jenny beschreibt das so: „Theater, mei, das ist halt unser Leben!“ Hier passt der unbedarfte Spruch: „Das Leben geht weiter.“ Im nächsten Jahr geht es nämlich weiter bei den Ringsgwandls, mit einem neuen Stück.
Die Zitate stammen aus dem Buch des Autors:
„Wir spielen bis keiner mehr kommt, 2016, Volk Verlag)