Rosenheim – Ein junges Ensemble machte die Rosenheimer Theaterinsel zum Schauplatz einer intensiven, unkonventionellen und brandaktuellen Musical-Darbietung. Die Idee zu „In Your Face“ hatten die beiden Studierenden Hannah Balber und Peter Sampel unter dem Eindruck aktueller Geschehnisse wie Terroranschlägen und politische Radikalisierung.
Sampel schrieb die Musik, Balber den Text, mit den Figuren Felix und Lea besetzen sie auch zwei der Hauptrollen – in einem Stück, das nur Hauptrollen kennt: Jonas (Víctor Ardelean), Ella (Sarah Fischbacher), Emil (Paul Kühn), Mia (Francesca Rieker), Lea und Felix befinden sich permanent auf der Bühne. Statt eines hierarchisch gegliederten Vorder- und Hintergrundes herrscht die ständige latente Anwesenheit einer digital vernetzten Gesellschaft – und die Figuren, alle Studenten in den Zwanzigern. sind durch und durch Teil dieser digitalen Welt.
Sampel und Ardelean wechselten sich am Klavier, dem einzigen verwendeten Instrument, mit Eleganz und Zwanglosigkeit ab. Überhaupt reflektierte die Inszenierung häufig augenzwinkernd auf die Aufführungssituation, an welcher zur Rosenheimer Premiere des bereits in München erfolgreichen Musicals leider weit weniger Zuschauer Anteil hatten, als es diese „jungen Wilden“ verdient hätten.
Dabei eignet der Handlung zunächst ein durchaus „klassisches“ Gepräge von Liebe, Eifersucht und Intrige: Sowohl Mia als auch Emil lieben den (sexuell) unentschiedenen Schönling Felix, von Sampel treffend und selbstbewusst verkörpert. Lea dagegen fühlt sich ungeliebt und unbeachtet, unfähig dem Schatten ihrer erfolgreichen Schwester Ella zu entwachsen.
All das spielt sich im leeren Raum, in der medialen, sozialen Wolke zwischen Sofa, Bar und Instagram ab, solange, bis dieser Raum durch die Schüsse eines Attentats plötzlich und gewaltsam aufgerissen wird. Diese Endlichkeitserfahrung, die eindringlich den Schritt heraus aus Unentschiedenheit und Uneigentlichkeit anmahnt, bestimmt den zweiten, sehr kraftvollen Teil des Musicals. Die Spielwiese der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten verengt sich für alle Figuren und besonders für die im ersten Teil weniger präsenten Schwestern Ella und Lea zum jeweils eigenen Scheideweg zwischen Familie und Karriere, Freiheit und fester Bindung, Aufgeben und Weitermachen.
Dabei wird „In Your Face“ nie zur platten Medienschelte, obwohl die Inszenierung oft kritisch auf die totale mediale Vernetzung Bezug nimmt. Das offene Ende verschließt sich auch der Abgeschmacktheit von Lebensweisheiten und generalisierenden Empfehlungen und überlässt Jonas, Ella, Emil, Mia und Lea – ebenso wie das Publikum – sich selbst und einer Reihe guter Fragen.
Oft wurde deutlich, wie verbunden sich die Darsteller ihren Figuren fühlten. Man meinte, sie sangen und spielten buchstäblich um ihr eigenes Leben. Dementsprechend entstand auch während der meist gelungenen, vor allem solistisch angelegten Gesangseinlagen nie das Gefühl des Schablonenhaften, künstlich Angelegten.
Weitere Aufführungen in der Theaterinsel, Chiemseestraße 8 morgen, Donnerstag, und am 3. und 4. August, jeweils um 20 Uhr. Kartenreservierung unter Telefon 08031/9008203 oder www.theaterinsel.de/karten.