Volksfeste in Rosenheim

Der Trommler nutzt seine zweite Chance

von Redaktion

Vom Straßenrennen über die NS-Ideologie bis zum Dauerbrenner: Streifzug durch die Plakat-Geschichte

Rosenheim – Er gehört zum Rosenheimer Herbstfest wie das Bier der zwei Rosenheimer Brauereien, das Riesenrad und der Glückshafen: der Trommler mit Hut, Gamsbart, grüner Weste und blauer Krawatte. Er trommelt seit 1955 ohne Unterbrechung auf Plakaten und Schildern fürs Herbstfest. Dass das weit über Rosenheim hinaus bekannte Motiv, das einst von Werbefachmann Anton Felder auf Papier gebracht worden ist, erst nach einem Comeback zum Dauerbrenner wurde, wissen wohl nur echte Volksfest-Kenner.

Wie beispielsweise Stadtheimatpfleger Karl Mair, der in seinem Refugium, im Stadtarchiv an der Reichenbachstraße, unzählige Dokumente über die Geschichte der Rosenheimer Volksfeste, aber auch über die historische Werbung für die Wiesn und ihre Vorgänger hütet.

Auf zum „Velociped- Straßen-Wettrennen“

So lagern hier beispielsweise Originalplakate, die zwar gegen Ende des 19. Jahrhunderts nicht das ganze Volksfest, dafür aber die Höhepunkte des Festprogramms bewarben. Wie beispielsweise ein „Velociped-Straßen-Wettrennen“, das anlässlich des landwirtschaftlichen Bezirksfestes 1888 veranstaltet worden war.

Schon damals wurden derartige Werbeplakate in die Hände von Experten gelegt, wie Mair zu berichten weiß. „Das waren hochprofessionelle Schriftsetzer, die die Drucksachen nach den damals geltenden Trends angefertigt haben.“ Beliebt war Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur die Verwendung verschiedener Schriftarten, sondern auch – ähnlich wie heute die Emojis bei Whats-app – symbolische Darstellungen wie beispielsweise eine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger, die auf eine wichtige Information deutet.

Werbetechnisch Klotzen statt Kleckern hieß es dann 1909 beim siebten und bisdahin größten Volksfest, das vom 4. bis 12. September zusammen mit einer Gewerbeausstellung und vielseitigem Rahmenprogramm veranstaltet wurde. „Schon im Jahr 1909 hatte man das Volksfest außerordentlich gut beworben“, stellte Michaela Firmkäs, 2011 im Buch „Lockruf & Tradition“ fest, das sie zum 150. Geburtstag des Herbstfestes gemeinsam mit Walter Leicht und Lydia Zellner herausgebracht hat. Firmkäs: „Dafür war ein Presseausschuss aus fünf Personen gebildet worden.“

Dabei setzten die Organisatoren nicht nur auf Plakatwerbung, sondern auch auf Reklame auf Streichholzschachteln oder auf Festpostkarten. „Die waren sehr beliebt“, weiß Mair, der einige dieser Briefsendungen in seinem Fundus hat.

Insbesondere eine Postkarte aus den 20er-Jahren, die der Lokomotivführer und Künstler Ottmar Dax gestaltet hatte, hat es dem 44-jährigen Stadtheimatpfleger angetan. Sie zeigt den personifizierten Turm der Rosenheimer Kirche St. Nikolaus, der auf einer Wiese vor dem Festgelände sitzt und aus einem Masskrug trinkt. Mair: „Das war wirklich originell.“

Originell – ein Adjektiv, das für die Rosenheimer-Herbstfest-Plakate zur Zeit des Nationalsozialismus nicht mehr gilt. Mit Hakenkreuzflaggen geschmückte Häuserzeilen, ein gemalter Trachtler, der beim Volkstanz seine rechte Hand zum angedeuteten Hitlergruß erhebt und dessen Körperhaltung aussieht, als wäre er einem Propaganda-Film von Leni Riefenstahl entsprungen, oder der Maibaum, der neben der Stadtrose zusätzlich mit dem Hakenkreuz verziert ist – die Einflüsse des Dritten Reichs machten auch vor dem Herbstfest, das mittlerweile vom Wirtschaftlichen Verband organisiert wurde, nicht Halt.

„Hier sieht man deutlich die Vereinnahmung des Brauchtums durch die Nationalsozialisten und die NS-Ideologie, die auf den Plakaten verarbeitet worden ist“, erklärt Mair die künstlerische Umsetzung eines Rosenheimer Grafikers, der gegen Ende des Krieges bei einem Bombenangriff der Alliierten auf die Stadt ums Leben gekommen war.

Auch für das Herbstfest 1939 lief die Werbemaschinerie bereits auf Hochtouren. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 1. September zwang die Organisatoren dann aber dazu, das Fest einen Tag vor dessen Eröffnung abzusagen. Erst ein Frühlingsfest, das Schausteller Max Fahrenschon 1946 für die kriegsgebeutelte Bevölkerung organisierte, beendete die volksfestlose Zeit in der Innstadt.

Werbefachmann liefert Dauerbrenner

Mit der Wiedergründung des Wirtschaftlichen Verbandes 1949 feierte dann auch das Herbstfest Rosenheim eine Wiederauferstehung, die bis heute im jährlichen Rhythmus anhält. Und die für den heute bekannten Trommler als Plakatmotiv die Geburtsstunde bedeutete. Denn innerhalb des Wirtschaftlichen Verbandes hatte sich der Ausstellungs- und Herbstfestausschuss gegründet, dem auch der Werbefachmann Anton Felder angehörte. Und der nicht nur den Trommler entwarf, sondern das Motiv 1953 auch als Plakat durchsetze. Nur einmal noch – im Jahr 1954 – zierte ein anderes Motiv die Werbeplakate, ehe der Trommler durchgehend bis heute als Gesicht des Herbstfestes die Bürger in und um Rosenheim zum Besuch animiert.

Ob sich Mair zur Abwechslung mal ein anderes Motiv wünschen würde? Bei dieser Frage ist der Stadtheimatpfleger hin- und hergerissen. „Vielleicht könnte man mit den Farben spielen“, findet der 44-Jährige, der sonst aber auf das bayernweit bekannte Motiv nicht mehr verzichten möchte. „Der Trommler ist für die Menschen ja auch eine Konstante, die Verlässlichkeit symbolisiert und ein Stück Heimat und Geborgenheit vermittelt.“ Und so eben zum Rosenheimer Herbstfest dazugehört, wie das Bier der beiden Rosenheimer Brauereien, das Riesenrad oder der Glückshafen.

1950 kam’s zum Wettbewerb

Was rund ums Münchner Oktoberfest seit Jahrzehnten üblich ist, hat es auch zum Rosenheimer Herbstfest gegeben: Einen Wettbewerb um das Plakatmotiv. 1950 hatten die Organisatoren um Entwürfe fürs Herbstfestplakat gebeten und als Hauptpreis 100 D-Mark ausgelobt. Gewonnen hatte letztlich unter dem Kennwort „Preistier“ der Entwurf von W. Scharf, der laut OVB-Bericht vom 20. Mai 1950 aufgrund des grafischen Könnens, der werbenden Wirkung und des künstlerischen Niveaus „einstimmige Anerkennung“ gefunden hatte. Das Motiv zeigte laut OVB „einen jungen Inntaler Buam mit einem schäumendem Masskrug und ihm zur Seite ein fesches Dirndl mit einem preisgekrönten Stierkopf“. mw

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