Traunstein – Aus meteorologischer Sicht neigt sich der Sommer langsam dem Ende zu. Aus musikalischer Sicht aber geht die warme Jahreszeit für Freunde klassischer Musik im Rahmen der Traunsteiner Sommerkonzerte weiter. Zum 36. Mal bringt das kleine, aber feine Traunsteiner Kammermusikfestival die Vielfalt klassischer Musik von Komponisten und Musikern unterschiedlichster Nationen zum Blühen – heuer in der Aula des Annette-Kolb-Gymnasiums. Die künstlerische Leiterin Imke von Keisenberg hat ein hochkarätiges Programm zusammengestellt, in dessen Mittelpunkt Kompositionen polnischer Komponisten stehen.
Musik von polnischer Komponistin
So mischte sich im ersten Konzert die polnische Komponistin Grazyna Bacewicz (1909 bis 1969) mit ihrem Klavierquintett Nr. 1 klangvoll zwischen Kompositionen von Joseph Haydn und Johannes Brahms: Eine wunderbare Aussöhnung eines einst mehr als zerrütteten Verhältnisses zwischen den Nationen.
Das französische Ensemble Quatuor Hermès legte die Messlatte für die folgenden Konzerte denkbar hoch. Omer Bouchez (Violine), Elise Liu (Violine), Lou Chang (Viola), Anthony Kondo (Violoncello), vom Pianisten Nicholas Rimmer begleitet, ernteten zu Recht wahre Begeisterungsstürme.
Zum Dahinschmelzen schön war Haydns Streichquartett Nr. 76, B-dur, op. 76, Nr. 4, Hob. III:78 „Der Sonnenaufgang“. Spannend und zugleich entspannend übte das viersätzige Werk in seinem Variationsreichtum auf die Konzertbesucher eine euphorisierende Wirkung aus. Die ruhigen und weichen aufsteigenden Violinenstimmen über einem liegenden B-Dur-Akkord der übrigen Streicher ließen das Aufsteigen der Sonne durch Dunst oder Nebel assoziieren.
Mit dem 1952 komponierten 25-minütigen Klavierquintett Nr. 1 der polnischen Komponistin Grazyna Bacewicz gab es überraschende Klangmomente, disharmonische Wendungen und rasche Rhythmuswechsel, die an ein aufregendes Hörspiel oder an Filmmusik erinnerten, wobei die Interpreten akzentuiert das Spannungsfeld zwischen den pulsierenden Rhythmen und expressiven Kantilenen meisterhaft umsetzten. Der „kleine, unsichtbare Motor“, Merkmal und selbsternanntes Charakteristikum von Bacewiczs Naturell, kristallisierte klar und deutlich ihre kompositorische Schaffenskraft. Eine reichhaltige Gefühlspalette von romantischer Verträumtheit, sehnsuchtsvoller Suche, leidenschaftlicher Hingabe mit dramatischen Zwischenspielen ließ in der großartigen Interpretation eher an einen großen, sehr produktiven Motor denken.
Nach der Pause gab es mit dem Klavierquintett f-Moll op. 34 von Johannes Brahms einen Meilenstein im Kammermusikschaffen des Komponisten – mit der meisterhaften Ausdifferenzierung der traditionellen Formen und mit höchst effektvollem Einsatz der Instrumente. Dass der Sommer im musikalischen Sinn noch lange nicht zu Ende ist, spürte man am nicht enden wollenden jubelnden Applaus.