Wertach – an der Wertach?

von Redaktion

Nicht selten haben Seen, Bäche und Flüsse ihren Namen an die Siedlungen, die an deren Ufern liegen, weitergegeben. Tegernsee liegt am Tegernsee, Ebrach – ein Ortsteil der Gemeinde Pfaffing – liegt an der Ebrach, Wertach liegt an der Wertach. So verhält es sich jedenfalls mit dem Markt Wertach im Allgäu.

In der Gemeinde Feldkirchen-Westerham gibt es ebenfalls ein Wertach. Dieser Gemeindeteil besteht aus den Weilern Unter- und Oberwertach. Aber befindet sich auch dort ein namensgebendes Gewässer namens „Wertach“? Oder haben die beiden Wertach-Orte ganz verschiedene Namensgrundlagen? So leiten sich etwa Aßling an der Attel und Assling in Österreich von zwei völlig verschiedenen Begriffen her!

Zunächst betrachten wir die Namenserklärung für den Markt Wertach im Oberallgäu. Im „Lexikon Schwäbischer Ortsnamen“ des Ortsnamenforschers Wolf-Armin Freiherr von Reitzenstein wird der Fluss Wertach auf ein uraltes indogermanisches Wasserwort „ver“, das mit „t“ erweitert worden ist, und dazu auf das althochdeutsche Wasserwort „aha“, heute: „Ache“, zurückgeführt. Der Ort Wertach sei dabei nach dem Gewässer benannt worden. In frühen Handschriften (9. Jahrhundert) begegnet die schwäbische Wertach als „Virdo“, später als „Wertaho“ und „Wertaha“.

Unser Wertach in der Gemeinde Feldkirchen-Westerham hieß um das Jahr 1150 „Wetahe“, wie aus den Traditionen (Übergabe-Büchern) des Klosters Schäftlarn hervorgeht. Hiermit ist wie beim Allgäuer Wertach das Grundwort „Ache“ gesichert. Aber wie ist hier das Bestimmungswort „Wet“ zu erklären? Zum Glück haben wir aus den Jahren 1163/73 die Schreibung „Werta“ (Traditionen Kloster Tegernsee) und aus dem Ende des 12. Jahrhunderts die Schreibung „Wertahe“ (Traditionen Kloster Beyharting). Also gibt es auch im Bestimmungswort eine Parallele zum schwäbischen Wertach! Indogermanisches Wasserwort „ver“, vielleicht auch ein romanisches „verd“ = grün. Wetahe war wohl nur eine Verschreibung!

Bleibt noch die Realprobe: Wertach an der Wertach? In Oberwertach ist erkennbar keine Wertach zu sehen. Immerhin verweist ein Schild auf die Römerstraße „Via Julia“ die von Salzburg nach Augsburg – an Lech und Wertach! – führt.

In Unterwertach dagegen werden wir fündig: Ein Schwimmbecken. Regina Fuchs von der Gemeinde erklärt in schönstem Bairisch: „Dees is deene eahna Weiher“. Georg Schnitzenbamer, inzwischen der einzige Landwirt in Unterwertach, präzisiert: „Bade- und Löschweiher“. Aber dieser Weiher heißt nicht „Wertach“! Regina Fuchs weiß aber von einem Graben zu berichten, der „Badstubengraben“ oder „Wertacher Graben“ genannt wird. Landwirt Schnitzenbaumer jedoch merkt an, dieser Graben sei vor nicht allzu langer Zeit künstlich angelegt worden. Realprobe also: Negativ!

Sicherlich aber fließen nächstes Jahr einige Wertacher Wasserl, wenn Gäste aus dem schwäbischen Wertach zum Gegenbesuch herkommen werden. Die Wertacher Burschen waren nämlich neulich ins Allgäu gefahren, weil, so Schnitzenbaumer, „dee gar ned gwissd ham, daß‘s ins aa gibt“. Die Wertacher Burschen werden das sicher hinkriegen, wenn die 2000 Einwohner von Wertach im Allgäu zum Bierzelt ins bayrische Wertach kommen! Vielleicht hat ja vor 1000 Jahren ein Allgäuer den Namen Wertach hierher zu uns gebracht?

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