Brannenburg – Das erste Konzert dieses Jahres der Reihe Brannenburger Kirchenkonzerte in der Michaelskirche spannte hochgemut zwei Komponisten zusammen, die Bayern ihr Heimatland nennen, aber sonst gegensätzlicher nicht sein könnten: der in Brannenburg lebende Roland Leistner-Mayer (geboren 1945) und der aus München stammende Richard Strauss (1864 bis 1949). Da treffen grüblerischer und zurückhaltender Ernst auf eine „Hoppla-jetzt-komm-ich!“-Attitüde, gereifte Denkerstirn auf jugendlichen Feuerkopf.
Franziska König (Violine) und ihr Bruder Iwan König (Klavier) sind die beiden Solisten, in Aurich/Ostfriesland und bei Wien beheimatet und viel herumreisend. Dass sie Geschwister sind, bewirkt auch, dass sie sich gut verstehen und hervorragend aufeinander eingehen.
Die 2003 entstandene Violinsonate op. 123 von Leistner-Mayer präsentiert sich als eine Darstellung von Seelenzuständen. Sie beginnt grüblerisch-ernst mit einem nach unten gerichteten, dann wieder hochschießenden Motiv mit rhapsodischem Schwung, wirkt oft erregt und aufgeregt mit vielen heftigen Energieausbrüchen, immer wieder unterbrochen durch ruhigere Passagen mit liegenden Doppelgriff-Akkorden oder breiten Strichen auf den unteren Saiten, vollgriffig vom Klavier begleitet: Man hatte den Eindruck, dass hier immer wieder seelischer Überdruck zur Entladung drängt. Das Adagio hingegen ist wie ein dunkler Gesang im Klagegestus, weit ausschwingend und sich tief versenkend und fast resigniert verdämmernd. Franziska König gab diesem Dunkelsang mit viel Leuchtkraft und bewegender Intensität Ausdruck. Hochvoltaische rhythmische Energie mit tanzwütigen Abschnitten prägt den Finalsatz, abgewechselt mit gleichsam in sich hineinhorchenden oder flageoletthaft zitternden Passagen und beschlossen mit einer rasend-aufwühlenden Stretta, die die Geigerin mit nimmermüder Leidenschaft mühelos bewältigte. Das kleine Publikum in der Kirche ergab sich willig diesen Seelenzuständen und applaudierte am Schluss heftig, während der anwesende Komponist den Solisten kräftig dankend die Hand drückte.
23 Jahre alt und gerade junger Kapellmeister in München war Richard Strauss, als er seine Violinsonate in Es-Dur op. 18 komponierte – und zwar in einer selbstbewussten „Violinsonate-kann-ich-auch!“-Haltung, wie Iwan König sagte. Der hatte hier mit Glitzerklangpracht viele Entfaltungsmöglichkeiten, die er auch rauschhaft prunkend wahrnahm, ohne seine Partnerin jemals zuzudecken. Auftrumpfen im Überschwang eines musikalisch frühreifen Bürschchens und melodisch üppig betörend beginnt diese Sonate, während die Violine eher den süßen – und oft süßlichen – Duft dazu gibt. Im Adagio entlockte Franziska König ihrer Geige schmelzende Töne aus der schmalzenden Melodie, die nach virtuosen und koloristischen aufgelockerten Umformungen am Ende süß zerstäubt. Im Finale klingt schon der „Don-Juan“-Hochmut der späteren Tondichtung an und bietet nochmal mitreißenden Schwung und Glanz.
Als ganz verinnerlichte Zugabe boten die beiden Solisten das Adagio aus Beethovens Violinsonate op. 30/1, tief einfühlsam und edel-beherrscht.