Traunstein – Ein junger Mann ist 1998 auf der Suche nach einem Probenraum. Franz-Josef Fuchs möchte sich endlich seinen Traum erfüllen, in seiner Heimatstadt Traunstein Theater zu spielen. Erfahrung hat er bereits in Straßen- und Tournee-Theatern gesammelt. Franz Ober, Stadtratskollege seiner Mutter Christa, kommt auf die beiden zu: „Ich glaube, ich hätte das Richtige für euch.“ Es sind die Räume in der Crailsheimstraße 12, in denen das „Nuts“ bis heute zu Hause ist.
Am 29. Januar 1999 öffnet sich die Tür zur ersten öffentlichen Vorstellung. Es ist ein Brettl-Abend. Eine offene Bühne, bei der sich jeder für rund eine Viertelstunde mit einem kleinen Programm präsentieren kann. Bis heute sind hier rund 2000 verschiedene Künstler zu Gast gewesen. Viele kommen immer wieder. Der Kabarettist Michi Altinger bekräftigt: „Das ‚Nuts‘ hat unter uns Künstlern bundesweit einen erstklassigen Ruf und ist für uns zu einer festen und wichtigen Adresse geworden.“
Kreativität, Leidenschaft und die Lust an ungewöhnlichen Projekten ist der Familie Fuchs wohl schon in die Wiege gelegt worden. Sie alle sind in verschiedenen Vereinen ihres Heimatdorfes Kammer aktiv. Franz-Josef war mit zarten elf Jahren der erste Prinz der Kammerer. Auch Theater gespielt haben Christa und Franz-Josef nahezu „immer schon“.
Kreative Geldbeschaffung
Neben guten Freunden, vielen Helfern und einem kleinen zuverlässigen Team ist der Familie von Anfang auch ein Förderverein zur Unterstützung des Kulturbetriebes zur Seite gestanden – auch mit originellen Aktionen zur Geldbeschaffung, wenn das Geld mal wieder nicht für notwendige Maßnahmen gereicht hat. So versteigerte der Förderverein zur Finanzierung einer neuen Bestuhlung kurzerhand ein Sortiment gut erhaltener Holzstühle der ersten „Nuts“-Generation, die von Künstlern signiert worden waren. Und wie Christa Fuchs mit ihrem typischen charmant-verschmitzten Lächeln erzählt: „Mei, da brauchst halt schon auch viel Idealismus, Durchhaltevermögen, Liebe zur Kultur – und a wenig verrückt muasst a sein. Drum hoass ma a ‚Nuts‘ – das englische Wort für ‚verrückt‘“.
Kabarett, Konzert
und Theater
Von Anfang setzten Franz-Josef und Christa Fuchs auf eine Mischung aus Kabarett, Konzert und Theater. Zahlreiche namhafte Kabarettisten von Michi Altinger über Monika Gruber und Luise Kinseher bis Sigi Zimmerschied kommen seit Jahren. Und es kommen immer wieder neue hinzu. So soll sich Martin Rassau von Heissmann & Rassau verwundert gefragt haben, warum er „denn hier noch nie gespielt habe“ und gibt nun flugs am 25. März sein „Nuts“-Debüt.
Aber auch neue Talente wie Bumillo und „Günther.Stoiber.Hinterecker“ finden hier eine Bühne, auf der sie sich ausprobieren können. Darin sind sich „die Füchse“ einig: „Uns war es schon immer wichtig neben den etablierten Künstlern auch neuen, noch unbekannt(er)en Talenten, eine Plattform zu bieten, sich auszuprobieren und Bühnenerfahrung zu sammeln.“ Besonders freut die Familie Fuchs, dass viele von ihnen auch heute noch gerne zu kommen und dem Haus freundschaftlich verbunden sind, auch wenn sie mittlerweile anderswo große Hallen füllen.
Dieses Sprungbrett nutzte zum Beispiel Claudia Koreck mit ersten Auftritten im zarten Teeniealter. Auch Django 3000 waren einst noch als „Luftmentschn“ regelmäßig zu Gast. Robert Wolf von „Quadro Nuevo“ klopfte schon bald nach Eröffnung an die Tür. Heute sind die „Quadro-Nuevo“-Konzerte im „Nuts“ Kult. Die „Herren Wunderlich“ kommen mindestens einmal im Jahr, um ihre Schlager-Comedy oder ihr „verwunderliches“ Weihnachtsprogramm mit Ernst Jani zu präsentieren. Und auch Herbert Pixner hat im „Nuts“ seine ersten Konzerte in Südostbayern gespielt.
Neben Gastvorstellungen verschiedener Theaterensembles und -vereine liegt der Schwerpunkt auf den Eigenproduktionen des „Fabriktheaters in der Kulturfabrik Nuts“. Stücke von Thomas Bernhard, Felix Mitterer und Yasmia Reza standen auf dem Spielplan. Heimatforscher Albert Rosenegger schneiderte dem Fabriktheater historische Geschichten mit Bezug zu Traunstein, wie etwa das Pesttheater „Sterndeandl“ und die große Freilichtproduktion „Den Stein sollst du lieben“ auf dem Stadtplatz zum 350. Geburtstag von Balthasar Permoser.
Brettl-Abend
zum 20-Jährigen
Auf den Tag genau 20 Jahre nach der ersten Veranstaltung hat die Familie Fuchs für langjährige Freunde, Weggefährten und Unterstützer eine kleine Feier ausgerichtet, die mit einem etwas speziellen „Brettl-Programm“ mit Wegbegleitern aus 20 Jahren Kunst und Kultur aufwartet.
Michael Altinger, Moderator des Abends und langjähriger Freund des Hauses bricht in seiner Laudatio leidenschaftlich eine Lanze für die immer weniger werdenden Kleinkunstbühnen: „Schützt und erhaltet dieses einzigartige Kleinod, in dem auch wir es sehr genießen, das Publikum aus nächster Nähe zu erleben. Mitzubekommen, was der Gast in der dritten Reihe macht, umgekehrt aber auch der Besucher in der letzten Reihe noch sieht, was der auf der Bühne da vorne treibt.“
Über Christa Fuchs sagt Altinger: „Die Christa ist Freundin und Vertraute für mich. Bissl wia a Mama – nur, dass i ihra nu nia a Wäsch zum Waschen bracht hab.“ Christa Fuchs über Michi: „49 Mal war der Michi schon bei uns. Solo, mit dem Brettl und dem Alex Liegl. Damit ist er einer der Künstler, die am häufigsten bei uns zu Gast waren und in dieser Zeit auch zu einem guten Freund geworden.“
Sebastian „Wasti“ Schuhbeck spielt ein paar Sketche aus seinem Programm „Prollalarm“. „Nuts“-Urgestein Schuhbeck, der bereits bei der allerersten Vorstellung auf der Bühne stand, gesteht: „Ich hab damals schon manchmal was Lustiges für den Pfarrgemeinderat gemacht. Aber eigentlich hat das ‚Nuts‘ mich entdeckt und angespornt, mein eigenes abendfüllendes Kabarett zu schreiben und auch zu spielen.“
Die Herren Wunderlich aus Kufstein begeistern mit einer Auswahl an Schlagern und Chansons aus den 20er bis 40er Jahren. „Das ist ganz wunderbar: Wir kommen ins ‚Nuts’ und fühlen uns total wohl, und wenn wir in Kufstein Theater spielen kommt das gesamte ‚Nuts’-Team zu uns zum Zuschauen“, erzählt Herbert Oberhofer.
Nur Wäsche brachte Altinger bislang nicht
Jörg Hegemann, der ebenfalls seit vielen Jahren regelmäßig das Publikum mit seinen Pianokünsten begeistert, reißt die Gäste im Foyer mit Boogie-Woogie und Ragtime zu Begeisterungsstürmen hin. Und auch der Musikkabarettist Andrè Hartmann hat schon unzählige Male die schwarz-weißen Tasten des „Nuts“-Pianos malträtiert. Zur Feier des Tages darf es diesmal sogar auf einem Flügel. Winfried Klima, von Anfang an der Familie Fuchs in Freundschaft verbunden, überreicht mit seiner Frau Eva einen ganz besonderen Preis: Den Oscar für die beste Kleinkunstbühne Bayerns. Und Jungstar Bumillo zeigt sich angetan, dass ihm als fast noch unbeschriebenes „Nuts-Blattl die Ehre zuteilwird, sich an der Seite der langjährigen Weggefährten über „alles mögliche“ zu unterhalten. Der junge Mann philosophiert über die Verwendung des „Ös“: Verwöhnt sei aber auch die heute weit verbreitete Sucht „Empööörung“ und hat als Lösung gefunden: „Macht es wie meine Tochter! Mehr Ta taaaaa gegen die Empörung!“