Gesang der Erzengel

von Redaktion

Grassauer Blechbläser und Ensemble di Capello in der Rosenheimer Nikolauskirche

Rosenheim – Es war ein außergewöhnliches Konzert mit belebenden Kontrasten und Überraschungen, das die Grassauer Blechbläser zusammen mit dem Ensemble di Capello, einem Chor aus Haar, in der nur schütter besetzten Rosenheimer Nikolauskirche gaben. Man hätte ja meinen können, dass Sänger gegen Bläser keine Chance hätten: weit gefehlt, beide ergänzten sich aufs Beste.

Die Grassauer Bläser kennt man hierzulande, und wieder glänzten sie mit Klanggewalt, ausgefeilter Artikulation und aber auch interpretatorischem Feinsinn. In der überaus halligen Akustik überkugelten sich manchmal die messerscharf getrennten Klänge der Suite aus „Terpsichore“ von Michael Praetorius (1560 bis 1629), türmten sich dann aber auch zu einem rauschhaften Klangkosmos. Wenn die Tuba dazukam, schienen die Töne aus der Unterwelt heraufzusteigen und die massigen Klänge rollen durch das Kirchenschiff. Trotzdem bleibt die Leichtigkeit des Tanzes erhalten. Als beweglich erwies sich die dicke Tuba auch im Präludium G-Dur BWV 541 von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) im Arrangement für Bläser von Matthias Linke, alles war trotz punktgenauer Artikulation beweglich, beschwingt und geradezu swingend.

Eine echte Überraschung war der „Feierliche Einzug der Ritter des Johanniterordens“ von Richard Strauss (1864 bis 1949): Das war große Oper, ja großes Kino, eine Musik, die sogar Wagners Klangüberwältigungskunst übertrumpfte. Ähnlich bombastisch in der Wirkung baut sich das Werk von Bob Moran (geboren 1937) mit dem Titel „…da entstünde ein Engel“ auf, hier zusätzlich durch die Orgel (Felix Spreng) verstärkt.

Das Ensemble di Capello ist ein relativ junger Chor aus Haar, gegründet und geleitet von Andreas Obermayer. Sein Schwerpunkt ist die A-cappella-Musik. Biegsame junge Frauenstimmen mit meist müheloser Höhe und sattdunkle warme Bässe sind sein Markenzeichen, die Tenöre, die ein paar Glanzlichter mehr vertragen könnten, und genau markierende Altstimmen ergänzen den Chorklang. Alle singen mit leichtem Stimmansatz. In ruhigen Klangwellen, die nur ein bisschen mehr rhythmische Gestrafftheit gebraucht hätten, entfaltete sich das achtstimmige „Jubilate Deo“ von Giovanni Gabrieli (1557 bis 1612), hymnischer und erregter das darauffolgende „Jubilate Deo“ von John Høybye (geboren 1939), ein bisschen eilig – obwohl im Tempo vorschriftsgemäß – war „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 bis 1847), innig und mystisch glühend ein „Ave Maria“ von Sergej Rachmaninoff (1873 bis 1943). Andreas Obermayer dirigierte mit ruhigen und sicheren Gesten.

Ein Bläserchor diente als Antwort-Chor in der Motette „Herr, wenn ich dich nur habe“ von Heinrich Schütz (1585 bis 1672), die ahnen ließ, wie pracht- und machtvoll sich die Musik im Markusdom von Venedig angehört haben muss, die Schütz als Vorbild diente. Bach-Motetten sind ein Prüfstein für jeden Chor: Bestens einstudiert war „Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf“, jetzt war die rhythmische Bestimmtheit da, die heiklen Übergänge klappten bestens, alles war dynamisch fein abschattiert und der Choral kam als triumphierender Beschluss.

Ganz zum Schluss taten sich Bläser und Chor zusammen im „Prolog im Himmel“ aus Goethes „Faust“ von Jan Koetsier (1911 bis 2006): Das war ein eherner und schier gepanzerter Erzengel-Gesang, sturmbrausend und aufschäumend, flammend und blitzend und alles in allem „herrlich wie am ersten Tag“. Diesen Schluss wiederholten die Sänger und Bläser als Dank für den großen Applaus und beschlossen das Konzert mit dem tiefinnigen „Abendlied“ von Joseph Rheinberger (1839 bis 1901).

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