Ein Nocturne wie ein dunkles Seidentuch

von Redaktion

Die „Prague Philharmonia“ mit Trompeter Gábor Boldoczky im Rosenheimer Kuko

Rosenheim – Keine Rockkonzerte, stattdessen zuviel Klassik im Kultur- und Kongresszentrum. So vor einiger Zeit die öffentliche Klage. Nun ging das vierte und damit letzte Meisterkonzert der Saison über die Bühne.

Zum Abschluss der Saison gab’s Entspannung pur, Wellness fürs Ohr – aber mit Pfiff. Als Motto war „Bohemian Rhapsody“ angesagt, und diese wurde von dem fabelhaften Trompeter Gábor Boldoczky kräftig aufgemischt.

Zunächst führte die freundliche Sinfonie von Frantisek Benda die Hörer in hell erleuchtete, stilvolle Schlossgemächer. Man war mehr von dem Gesamteindruck gefangen, als von aufregenden Details. Aufregend freilich hörte sich das Spiel der Streicher an. Konzertmeister Jan Fiser trieb seine Musiker zu vorwärtsstrebendem Brio an. Zugleich wurde jede Winzigkeit sorgfältig ausgestaltet.

In ähnlichem stilistischen Fahrwasser lief das Trompetenkonzert von Johann B. Georg Neruda ab. Gábor Boldoczky ließ die Töne so strömen, als hätte er das Trompetenspiel neu erfunden.

Wie spannungsvoll leise und langsam gleitende Musik sein kann, zeigte der böhmische Romantiker Dvorak. Wie ein dunkles Seidentuch wellte und entfaltete sich das „Nocturne für Streicher in H-Dur“. Die Faktur schien durchsichtig zu sein, aber das Gewebe hielt dicht, und die Prager strichen mit innigster Intensität.

Vor der Pause noch ein Kontrast: „Introduktion, Thema und Variationen in f-Moll“ des Beethoven- Freundes Johann Nepomuk Hummel. Boldoczky trat mit drei verschiedenen Trompeten an – der Zugewinn an Klangfarben war beträchtlich. Zugleich wurden die Formteile von einander abgesetzt. Trotz der zum Teil fast aggressiven Virtuosität hatte die Komposition einen nonchalanten Charme: Der Hörer durfte sich wie auf einem k.undk.-Ball fühlen, die Ohrwürmer suggerierten festliches Treiben, hat nicht sogar der Kaiser versonnen gelächelt?

Nach der Pause die „Sinfonie in g-Moll“ von Johann Baptist Vanhal. Kraftvolle Motive, vom Orchester in Wohlklang getaucht. Vanhal formte meisterhaft einen schlüssigen Ablauf, dem man mit Freude folgte. Sein Gespür für organisch motivierte Kontraste zeigte einen Künstler, der sich nicht im Schatten der großen Klassiker verstecken muss.

Zwei erfrischende Walzer Antonin Dvoraks, für die Prager eine Herzensangelegenheit, offenbarte die unbändige Musizierlust und Gelöstheit der Geiger.

Noch einmal trat der Star des Abends, Gábor Boldoczky auf, um mit dem Flügelhorn zum Kehraus zu blasen. In Vanhals „Konzert für Flügelhorn und Orchester“ bot der Solist alles auf, was an Schmelz, Glanz und Glamour sowie an circensischer Verwegenheit herauszuholen war. Walther Prokop

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