Starke Bilder bleiben

von Redaktion

Premiere der Passionsspiele Erl mit Prozession, Messe und Blasmusik

Erl – Die Häuser sind beflaggt, Busse bahnen sich den Weg durchs Dorf, auf dem Vorplatz spielt Blasmusik, Stunden davor wurde vor dem Eröffnungsgottesdienst mit dem Salzburger Erzbischof das große Erler Kreuz herbeigebracht, der Landeshauptmann Günther Platter hatte die Passionsspiele Erl 2019 eröffnet: Die kleine Gemeinde Erl in Tirol ist im Passionsfieber, wie alle sechs Jahre.

„Da ham ma was gspürt!“ Das sollten die Zuschauer nach dem Besuch sagen, wünschte sich in seiner Begrüßung Peter Esterl, der Projektleiter der Spiele. Und „was gespürt“ hatten die Zuschauer im gefüllten Halbrund des immer noch imposant-modernen Festspielhauses. Weniger gehört, denn nicht immer war die Artikulation der Spieler klar, gelegentlich gingen die Worte unter im allgemeinen Volksgeschrei oder in der Musik oder weil nach hinten gesprochen wurde.

Der Text ist von Felix Mitterer, der viele Bibelzitate verquickt, Jesus-Geschichten rück-erzählend in den Text verwebt, im Gethsemane-Bild die Seligpreisungen mit Jesu Todesangst-Visionen von den fatalen Missbräuchen dieser Religion kontrastiert und auch die Verführbarkeit der Volksmasse durch populistische Prediger betont: „Was macht ihr aus meiner Botschaft!?“

Eine große Rolle hat Mitterer dem Verräter Judas (Gerhard Kneringer) zugewiesen, der Jesus hier nur deswegen verrät, um ihn zur rebellischen Aktion, zum Aufstand gegen die Römer zu zwingen. Jesu Antwort ist – Liebe. Er wäscht auch Judas die Füße.

Im Kopf, nein, im Herzen, bleiben die starken Bilder, die der Regisseur Markus Plattner zusammen mit Lichtdesigner Ralf Wapler schafft. Schon das erste Bild reißt einen hinein in die Passion: Jesus entert, von einem Esel (laut Programmheft: Leo) durchs Publikum getragen, im Triumph die Bühne. Das Volk bildet grafisch einen Palmzweig, Jesus küsst ein Kind und das Volk jubelt ohrenbetäubend. Die Geldwechsler im Tempel bilden mit ihren Mappen ein verzerrtes Angstgesicht, das Jesus mit seiner Liebesbotschaft auflöst.

Die Rolle des Jesus ist doppelt besetzt (Erwin Kronthaler und Florian Harlander). In der Premiere ist es Erwin Kronthaler, ein kraftvoller, aber menschlicher, kein überirdisch erleuchteter Jesus, der bekennt: „Ich bin so gern ein Mensch!“ Dass die Liebe die zentrale Botschaft ist, zeigt auch Maria Magdalena: Auf ihren Wink hin senken sich beim letzten Abendmahl die kosmischen Ringe vom Himmel, die sich konzentrisch durch die Menschenringe erweitern, während im Hintergrund die Galaxien funkeln: ein starkes Bild für die weltweite Macht der Liebe.

Die Gerichtsverhandlung bei Pilatus gleicht einem Schachspiel, das auf dem Boden aufleuchtet: Jesus als Spielball der Mächtigen, Pilatus und Herodes. Der Kreuzweg ist immer wieder durch angestrahlte „gefrorene Bilder“ unterbrochen und wirkt so wie der Kreuzweg der Bildstöcke auf dem Weg zum Kranzhorn über Erl. Dabei wird „O Haupt voll Blut und Wunden“ zitiert in der von Wolfram Wagner komponierten Musik, die herbsüß das Geschehen illustriert, auch konturiert durch die Orgel, die von Felix Spreng oder Herbert Weß aus Rosenheim gespielt wird. Engagierter Dirigent ist Drummond Walker. Bei der Kreuzigung und bei der Kreuzabnahme herrscht spannungsvolle Stille. Der Soldat wagt es nicht, Jesus in die Seite zu stechen – es fließt also kein Blut. Dafür klingelt mitten in den Tod Jesu hinein ein Handy.

Große Ergriffenheit herrscht dann beim Schlussbild: Die Spieler, mit den beiden Jesus-Darstellern an der Spitze, formieren sich zum „Erler Herz“, der so malerischen Bergformation unter dem Kranzhorn, singen fast mit Tränen in den Augen „Großer Gott, wir loben Dich“. Die Scheinwerfer richten sich auf das Publikum: Wir sind gemeint. Das ist der emotionale Höhepunkt, da schlägt hörbar das Erler Herz.

Bis 5. Oktober

Gespielt wird bis zum 5. Oktober jeweils samstags und sonntags um 13 Uhr, Spieldauer drei Stunden. Karten gibt es unter www.passionsspiele.at oder unter Telefon 0043/53738139.