Bewegender Auftakt

von Redaktion

Wasserburger Theatertage Udo Samel liest Autobiografisches von Primo Levi

Wasserburg – Die bayerischen Privattheater treffen sich derzeit wieder zu den 15. Theatertagen im Theater Wasserburg. Auch in diesem Jahr war die Eröffnungslesung von Udo Samel ein leuchtender Fixpunkt. Der Burgschauspieler und Grimme-Preisträger trug Auszüge aus „Die Atempause“ von Primo Levi vor, ein autobiografischer Bericht eines Auschwitz-Überlebenden, der unter die Haut ging.

Primo Levi wurde 1919 in Turin geboren. Er war Mitglied des italienischen Widerstandes gegen den Faschismus und Nationalsozialismus. Ende 1943 wurde der Schriftsteller und Chemiker verhaftet. Als Jude wurde er nach Auschwitz deportiert. Dort war er bis zur Befreiung durch die Rote Armee im Januar 1945 als Zwangsarbeiter im Lager Auschwitz III inhaftiert.

Durch Glück und Zufall überlebte Levi den Holocaust. Wenige Tage vor der Befreiung erkrankte er an Scharlach. Obgleich geringster Überlebenschancen wurde er in den „Krankenbau“ verlegt. So entging er den Todesmärschen der flüchtenden SS. Nach einer lange Odyssee durch ein zerstörtes Europa, die von Polen in die Ukraine, nach Rumänien und Ungarn führte, erreichte Levi schließlich seine Heimatstadt.

Als Schriftsteller begann er, seine Erfahrungen in Auschwitz in autobiografischen Berichten literarisch aufzuarbeiten. 1963 erschien „La tregua“ („Die Atempause“). Levis Werke wurden vielfach ausgezeichnet und in alle Weltsprachen übersetzt. 1987 nahm sich der Schriftsteller in Turin das Leben.

Primo Levis Zeitzeugenerlebnisse zu einem der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte sind nicht nur sprachlich bemerkenswert. Sie sind vor allem auch authentisch. Trotz des erlebten Grauens fand Lewi immer wieder humorvolle Episoden, die das an sich Unerträgliche erträglich machten. Er verfasste die Ereignisse in einer feinsinnige Sprache, klug und aufrüttelnd zugleich. Die von Schauspiellegende Udo Samel getroffene Textauswahl war hier ebenso hervorragend wie passend, insbesondere wenn man den Blick auf die gegenwärtigen nationalistischen Veränderungsprozesse in Deutschland und Europa richtet. Es war ein nachdenklicher, bewegender und nicht zuletzt auch mahnender Auftakt der Theatertage, das Geschehene nicht zu vergessen.

Udo Samel erwies sich einmal mehr als brillanter Rezitator. Seine inszenierte Lesung traf ins Mark. Brillant in Sprache und Ausdruck verstand es Samel, die emotional tiefgängigen und zugleich sprachlich scharfzüngig geschliffenen Texte greifbar und überaus berührend zu vermitteln.

Musikalisch begleitet wurde Samel von Jure Robek. Die Musikauswahl des slowenischen Klarinettisten, Kammermusikers und Musikpädagogen untermalte die vorgetragenen Episoden auf kongeniale Weise. Robeks musikalische Dramatisierung mit Improvisationsstücken für Klarinette und Bassklarinette verlieh Levis beklemmenden Meisterwerk zusätzlich Spannung und Tiefe.

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