Chiemsee – Sie sind erst seit wenigen Monaten am Zug, und doch weht bereits ein frischer Wind auf der Herreninsel. In der kurzen Zeit, seit der Bratschist Nils Mönkemeyer und der Pianist William Youn die „Inselkonzerte“ offiziell von Claudia Trübsbach übernommen haben, wurde der schmucken Kammermusikreihe bereits ein verändertes Profil gegeben. Es sind inhaltlich geschärfte Diskurse, die in den Programmen konsequent entwickelt werden.
Genau das offenbarte jetzt auch das Konzert mit Youn am Klavier sowie der Geigerin Veronika Eberle und Julian Steckel am Cello – ein Trio der absoluten Spitzenklasse. Statt „Lieblingswerke“ beliebig aneinanderzureihen, wurde im Bibliothekssaal des Augustiner Chorherrenstifts durch die Auswahl der Musik eine Geschichte erzählt. Das große Thema passte recht gut zum Schmuddelwetter am vergangenen Samstag: Trauer, Tod und Transzendenz.
Mit dem „Trio élégiaque“ von Sergei Rachmaninow sowie „À la memoire d’un grand artiste“ op. 50 von Peter Tschaikowsky wurde der Rahmen abgesteckt. Das einzige Klaviertrio Tschaikowskys ist ein 45-minütiges kammermusikalisches Requiem auf den bedeutenden Pianisten und Dirigenten Nikolai Rubinstein – ein Freund und künstlerischer Weggefährte. Dazwischen begegneten sich die Cellosonate von Claude Debussy sowie das „Thème et variations“ für Violine und Klavier von Olivier Messiaen aus dem Jahr 1932.
Schon allein stilistisch war das Programm sinnstiftend gekoppelt, denn: Während Rachmaninow und Tschaikowsky die große romantische Geste nicht scheuen, gehen Debussy und Messiaen auf barocke Wurzeln zurück. Bei Debussy sind französische Barockmeister wie François Couperin oder Jean-Philippe Rameau präsent – in Form und Rhythmus. Etwas subtiler geht Messiaen vor: Er knüpft indirekt an die barocke Air mit ostinater Begleitung an. Was Debussy und Messiaen eint, ist eine impressionistische Färbung. Sonst aber wirkt das Stück von Messiaen über weite Strecken wie ein „Lobpreis auf die Ewigkeit Jesu“ aus dem späteren berühmten „Quartett auf das Ende der Zeit“ von 1940/41.
In seiner Begrüßung hatte auch Mönkemeyer eine Verbindung zwischen beiden Werken hergestellt. Wie sinnstiftend das Programm stilistisch entworfen war, machten die Interpretationen deutlich.
Da ist Youn: Bei den „Inselkonzerten“ hat er sich schon öfters als stupender Pianist und Kammermusiker präsentiert. Auch jetzt wieder glänzte er mit unerhörter Differenziertheit in Anschlag und Ausdruck, um gleichermaßen die Parallelen und Unterschiede zwischen den Werken herauszustellen. In seinem Spiel schaffte es Youn, binnen Sekunden zwischen stiller Jenseitigkeit und zupackender Dramatik zu wechseln.
Noch dazu war es Eberle, die bei Messiaen den subtilen „Lobpreis auf die Ewigkeit“ in jedem Detail verlebendigte – berückend schön. Im differenzierten Gebrauch des Vibratos gelangen ihr farbliche Kontraste. Genau damit überzeugte auch Steckel bei Debussy: absolut stilgerecht und zeitgemäß. Bei Rachmaninow und Tschaikowsky wurde vollends deutlich, dass alle drei musikalisch eine Sprache sprechen. Hier wurde auf Augenhöhe musiziert, echte Kammermusik – ein Großereignis.