Wasserburg – Gleich zu Beginn Domenico Scarlattis Sonate in G-Dur – und da zeigte sich schon der so männliche Ernst am Klavier, mit dem sich Andreas Fröschl jeden Stil zu eigen macht. Und dies in einem Stück von nur ein paar Minuten. Doch es soll die Rede von etwas Größerem sein, nämlich von Beethovens op.106, der „großen Sonate für das Hammerklavier“.
Andreas Fröschl hat in den vergangenen Jahren bereits die größten Brocken der Klavierliteratur im Inn-Salzach-Klinikum präsentiert: Alban Bergs op.1, Liszts h-Moll-Sonate, dann op. 109, 110, 111 von Beethoven, und wenn Andreas Fröschl nun die 106er auf die Hörner nahm, wusste er, dass er das kann. Das ist nämlich von Anfang bis Ende ein Mammutwerk von gut einer Dreiviertelstunde, das erst lange nach dem Tod des Komponisten von Franz Liszt aus der Taufe gehoben werden konnte. Ein vollgriffiger erster Satz, ein Scherzo mit exaltiert erscheinenden Ausbrüchen; ein Adagio, dessen Länge die Seele des Spielers wie auch das Ausharren des Hörers fordert; ja, und die Fuge, da hat Beethoven alles hineingepackt, was möglich ist in diesem kontrapunktischen Metier: Spiegelung des Themas, lyrische Einschübe, wiederum das Thema im Rückwärtsgang – und dies alles im höchsten Tempo. Vor ein paar Menschenaltern wagte sich kaum ein Junger an dieses Werk.
Jetzt aber zu den folgenden Werken – denn Fröschl hatte die Herausforderung von op.106 an den Beginn gesetzt. Dazu später. Jetzt, nach der Pause, trat ein Zauberer der Stile mit Rachmaninoff auf das Podium – und das mag fürs Erste nach dem vorangegangenen Schwergewicht zur Lockerung des Gemütes beigetragen haben. Doch nachdem die Zuhörer schlichtweg ergriffen in die Pause gegangen waren, wurden sie jetzt sogleich gefangen vom Geist des schwermütigen Russen, wurde manch romantischer Überschwang unter den Händen des Spielers veredelt. In der Rechten, oder auch in Mittelstimmen, lange durchklingende Stimmen, und vor allem eindringliche Begleitfiguren – wie in der „Melodie“ aus den „Morceaux de fantaisie“.
Danach Maurice Ravels Sonate fis-Moll: Sie lebt wie vieles in der Musik der sogenannten Impressionisten von den Bildern, die im Hörer geweckt werden sollen, und Ravel wollte vielleicht ganz bewusst mit solcher Musik an schillernder Oberfläche bleiben. Fröschl wusste auch diesen Stil zum Blühen zu bringen. Wie erwähnt: Er ist in allen Spielarten der Musik zu Hause, seine gewohnten kabarettistischen Eskapaden am Schluss seiner Abende inbegriffen.
Doch Beethovens Hammerklaviersonate blieb auch am Folgetag im Gedächtnis noch so präsent wie das Spiel des Pianisten. Wie im Flug rauschte der herrliche Kopfsatz vorbei, wobei der Spieler alle lyrischen Passagen in ihrer Schönheit aufleuchten ließ. Auch das Scherzo flog vorbei wie ein skurriler Vorspann für das ganz Große dieser Sonate, das Adagio: Langer Atem und strengstens durchgehaltenes Tempo. Aber wenn in der Reprise des Themas die äußerste Mystifizierung erwartbar wäre: Hier ließ Andreas Fröschl in der rechten Hand das figurierte Thema in äußerster Klarheit Gestalt werden. Eine wohltuende Diesseitigkeit in einem so endzeitlich angelegten Satz.
Die Fuge kann ein erfahrener Spieler nur durchhalten, wenn die lange eingeübten Finger selbstständig agieren und der Kopf nur in entscheidenden Momenten steuert. So hatte Fröschl den Rückwärtsgang des Themas zu einem Ausflug ins quasi Irrationale verzaubert, als ginge die Zeit mit dem „Krebsgang“ des Themas verkehrt herum. Doch bald wandte sich die Musik mit der aufsteigenden Dezime und dem alles dominierenden Triller zurück ins Reale, bis hin zu den Schlusstakten. Die Zuhörer hatten die Größe des Werkes, wenn auch vielleicht unbewusst, erfasst. Auch Sprachlosigkeit angesichts eines solchen Höhepunktes spiegelt eine gelungene Rezeption.