Rosenheim – Viele haben traumatische Erfahrungen mit „Im Frühtau zu Berge“ und Konsorten: Vor 40 Jahren war es in der Schule durchaus üblich, dass man zum Vorsingen vor die ganze Klasse zitiert wurde, um seine persönliche Best-of-Version deutschen Liedguts zu präsentieren. Mit diesem schlechten Ruf hat es jetzt ein Ende: Beim letzten Konzert auf dem Sommerfestival verblüffte die geniale Rosenheimer Combo „Quadro Nuevo“ um Mulo Francel zusammen mit den Salzburger Philharmonikern damit, wozu deutsches Liedgut fähig ist. Ein Überraschungscoup, der das Publikum in fast euphorische Stimmung versetzte – und das, obwohl die Darbietung rein instrumental war – „bei uns singt ja keiner“, so Francel.
Nach der Bearbeitung durch Quadro Nuevo war fast keiner der alten Lagerfeuer-, Gruppenstunden- und Wanderhits mehr zu erkennen. Mit einer jazzigen Version von „Kein schöner Land“ starteten Mulo Francel am Saxofon, Christian Gall am Klavier, D. D. Lowka am Bass, Andreas Hinterseher an der Ziehharmonika, Evelyn Huber an der Harfe und die 50 Musiker der Salzburger Philharmoniker unter der Leitung von Lisi Fuchs in den Abend, der sich dank der Kombination von Musik, Musikern, Publikum, Wolken, Wind, Regen und Feuerwerk als traumhaft erweisen sollte.
„Beklemmung“ habe das Volkslied früher in ihm wachgerufen, gab Mulo Francel zu. Er und D.D. Lowka, die 200 Meter Luftlinie vom Festivalgelände entfernt das Gymnasium besucht haben, hätten das Projekt „Volkslied reloaded“ ins Leben gerufen, um dieses Trauma zu bearbeiten.
Sie haben noch viel mehr getan: Sie haben gezeigt, welch klassische Schönheit in den einfachen Kompositionen steckt, welch unglaubliche Bandbreite an Möglichkeiten ein Stück wie etwa „Hoch auf dem gelben Wagen“ hat, das viele tatsächlich nur mit der Erinnerung an Heino und Walter Scheel assoziieren. Durch die Bearbeitung von Quadro Nuevo und umgesetzt zusammen mit einem fantastischen Klangkörper wie den Salzburger Philharmonikern entstanden so aus altbackenen Liedern erfrischende Melodien, die durch den neuen Schliff funkeln.
Ungläubig staunten die Zuhörer, was aus „Sah ein Knab ein Röslein stehn“ oder „Wohlauf in Gottes schöne Welt“ entstand. Ein Übriges tat die mitreißende Begeisterung der Musiker, die mit sichtlicher Spielfreude ihre Neuschöpfungen auf die Bühne brachten. Dank der wundervollen Session auf der Bühne – samt Percussion-Improvisation auf dem Kontrabass von D. D. Lowka plus Tanzeinlage mit Evelyn Huber entstand im Mangfallpark die herzliche und lebensfrohe Stimmung, für die das Sommerfestival so beliebt ist. Richtig magisch wurde der Abend durch die Kombination aus toller Stimmung beim Publikum, fantastischen Musikern und beeindruckendem Wetter: Märchenhafte Musik vor dunklem Himmel, über den Blitze zuckten, der Wind aber nach wenigen Regentropfen die Gefahr eines Unwetters vertrieb.
Eingefasst wurde dieser Konzert-Edelstein von den beiden Flamenco-Gitarristen Jan Pascal und Alexander Kilian, die als Café del Mundo mit perfekter Musik glänzten und den Neufassungen von Mozarts „Bona nox, bist ein rechter Ochs“ und dem Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“ als Zugaben.
Gebührenden Applaus erhielt das imposante Feuerwerk, das zu einer musikalischen Zusammenfassung aller Höhepunkte des Sommerfestivals gezündet wurde. Ein Schluss, der schon jetzt die Vorfreude auf das nächste Jahr weckte.