Kann Musik duften?

von Redaktion

Herrenchiemsee-Festspiele Sol Gabetta und das Kammerorchester Basel spielen im Spiegelsaal französische Musik

Chiemsee – Zu Beginn verteilten die livrierten Diener Parfümproben zur Vorbereitung auf das Anfangsstück: „Sillages, Sons de Parfums“ von Bruno Soeiro, einem 1983 geborenen portugiesischen Komponisten, der höchstpersönlich auf der Bühne die Duftrichtungen der vier Sätze verkündete: blumig, frisch, holzig, orientalisch. So sollten die vier Sätze klingen. Kann Musik duften? Kann der Geruchs- in den Hörsinn, Sinnlichkeit in Musik transferiert werden? Die Sätze begannen fast alle mit fahlen Streicherklängen, dann wurde der Klang gleißend, flimmernd, grell-peitschend und am Schluss schwelgerisch und man hörte den Wind säuseln und Kuhglocken bimmeln. Orientalisch? „Zufallsmusik“, urteilte ein Zuhörer.

Immerhin konnte das Kammerorchester Basel seine feine Orchesterkultur demonstrieren und der Dirigent Pierre Bleuse seine von Eleganz und Klarheit geprägte Gestaltungskraft. Kraft dominierte vor allem in der 1. Symphonie von Georges Bizet, die Bleuse in Beethoven-Nähe rückte, statt den südländisch eleganten Tonfall oder die graziöse Leichtigkeit zu betonen, die sonst gemeinhin dieser Symphonie attestiert werden. Für Duftigkeit war’s zu massiv. Viel duftiger war die Zugabe aus „Masques et Bergamasques“ von Gabriel Fauré.

Aber die meisten Zuhörer waren eh wegen Sol Gabetta gekommen, der so herausragenden wie sympathischen Cellistin, die das Publikum im ausverkauften Spiegelsaal im Sturm eroberte. „Als sie kam, begann der Raum zu duften“, urteilte derselbe Zuhörer. Freudig lächelnd stürzte sie sich in den höchst energisch-aplombhaften symphonischen Beginn des 2. Cellokonzertes von Camille Saint-Saëns, suchte immer wieder Blickkontakt zu den Orchestermusikern und stürmte mit einer ganz natürlichen Virtuosität durch dieses mit technischen Schwierigkeiten gespickte zweisätzige Werk, das so selten zu hören ist. Die vielen Läufe kamen extrem sauber in seidenweichem Glanz, auch beim wildesten Ritt im heftig entflammten zweiten Satz blieb sie souverän im Sattel und erstaunte mit Mühelosigkeit in der extrem schweren Kadenz. Betörend schön ließ sie ihr Cello in den lyrischen Stellen singen, vor allem in dem Duett mit dem Horn im 1. Satz, und sie endete triumphal auftrumpfend: Das Publikum jubelte. Als Dankeschön dafür schenkte sie den Zuhörern die „Élégie“ von Gabriel Fauré, schwärmerisch und zu Herzen gehend – einfach nur schön. Und duftend.

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