Fugen, Seufzer und Suiten

von Redaktion

Die Academy of St Martin in the Fields bei den Herrenchiemsee-Festspielen

Chiemsee – Die Academy of St Martin in the Fields zu loben hieße, ganz viele Eulen nach Athen zu tragen. Bei ihrem Auftritt im Spiegelsaal von Herrenchiemsee war die Academy in Kammermusik-Form angetreten, genauer gesagt, als 13-köpfiges Streichorchester, das, wo es ging, im Stehen spielte und so noch mehr an Unmittelbarkeit und Spielfreude zeigte. Konzertmeister und damit Orchesterleiter war der junge Tomo Keller, der diesen Posten seit 2016 bekleidet.

Als Solist in Bachs Violin-Konzert a-Moll BWV 1041 wollte er aber nicht vornehmlich solistisch herausstechen, sondern aus dem Orchester heraus und mit dem Orchester spielen. Trotzdem gefiel er mit Energie, Feuer, klug dosiertem Vibrato und am Ende leidenschaftlicher Rasanz. Das Publikum im vollbesetzten Spiegelsaal reagierte – wie bei fast allen Stücken – mit Zwischenapplaus zwischen den einzelnen Sätzen.

„Bach, Britain and beyond“ alliterierte das Programmheft. Zwei Bach-Söhne füllten noch den Bach-Teil: Die Musiker kosteten die Kontraste und musikalischen Seufzer in der Sinfonia A-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) aus, dem erfolgreichsten und produktivsten der Bach-Söhne, waren schön sentimental im Largo und fröhlich dahinstürmend im Finalsatz, dessen Sturm durch die ständigen Unisono-Tonrepetitionen aufgestaut war.

Wilhelm Friedemann Bach (1710 bis 1784), war wohl trotz seiner Genialität – was die hier gespielte Suite g-Moll nicht unbedingt bewies – der unglücklichste der Bach-Söhne. Der zweite Satz war mehr Marsch als Schreittanz, das Menuett war in Moll gehalten und wurde durch das hübsche Trio in Dur aufgehellt, das mit seiner dreistimmigen Solisten-Einlage gefiel. Ein harsch-energisches Capriccio beendete diese Suite.

Fugen dominierten zwei andere kürzere Stücke: Die berühmte Fuge nach einem Adagio KV 546 von Mozart im Verzweiflungs-c-Moll, die stark Mozarts Bach-Studien spiegelt, und eine Fingerübung des jungen Felix Mendelssohn Bartholdy, ein Sinfoniesatz, ebenfalls in c-Moll, mit nervösen Orchestertrillern und einer Fuge, die impulsiv wirbelnd dahinstürmte, vom Orchester mit Vehemenz gespielt.

Die „Simple Symphonie“ von Benjamin Britten (1913 bis 1976) beschloss das Konzert. Eigentlich ist auch diese Symphonie eine Suite, also eine Abfolge von Tänzen, eine Hommage des jungen Britten an barocke Tanzformen, die Benjamin Britten auch mit heiter alliterierenden Titeln versah: „Boisterous Bourée“, also ungestüme Bourée, und „Sentimental Saraband“.

Die britischen Musiker blieben gleichwohl gemäßigt oder ironisch sentimental, entzückten mit dem „Playful Pizzicato“ die Zuhörer, die hier sogar in den Satz hineinapplaudierten, und endeten in feuriger Ausgelassenheit, die die Zuhörer ebenso ausgelassen mit anerkennenden Pfiffen quittierten. Dafür bekamen sie als Zugabe auch den duftig gespielten Finalsatz aus Mozarts Salzburger Sinfonie.

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