Die Herkunft des Ortsnamens Roßhart, einem Dorf in der Gemeinde Edling, konnte in den beiden vergangenen Folgen dieser Serie dank der aussagekräftigen Hilfestellung durch das Stadtarchiv Wasserburg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als „(bewaldetes) Weideland (= hart) mit Lachen zum Flachsrösten (= mittelhochdeutsch rozzen)“ gedeutet werden. Das Pferd, bairisch-süddeutsch mit langem o als Roß zu schreiben, fiel hier nach Einschätzung des vormaligen Archivars Joseph Kirmayer als Erklärung aus. Aber gilt die Erklärung mit der Flachsröste auch für die anderen Roß-Orte in unserer Region?
Beginnen wir mit Roßholzen am Samerberg. Anders als im Falle von Roßhart, das seit den ersten Nennungen im 12. Jahrhundert schon nahezu wie heute geschrieben wurde, lautete Roßholzen früher ganz anders als heutzutage. Josef Rieder berichtet 1988 in seinem Werk „Rossoltesperg. Samerberg“ von einem Eintrag in der sogenannten Notitia Arnonis mit dem Wortlaut „Hrosulza“. Wenn man aber das Original von 790 in einer Abschrift aus dem 13. Jahrhundert näher anschaut, liest man „HrosSulza“. Auch Hans Meixner vermerkt in „Die Ortsnamen der Gegend um Rosenheim“: „Hrossulza“. Rieder deutet genau diese letztgenannte Schreibung mit althochdeutsch hros = Ross, beziehungsweise Roß, und mit dem Grundwort althochdeutsch sulza = Wildlache, Schlammlachet. Auch Meixner erklärt Hrossulza durch hros und sulza, wobei er letzteres auch als „Salzwasser“ deutet.
Gerade die Schreibung „hros“ spricht durchaus für die Herleitung vom „Ross“. Im Englischen „Horse“ liegt ja nichts anderes als eine Umstellung der Buchstabenfolge (Metathese) vor. Und sulzige, saure Wiesen sind für Pferde ja kein schlechtes Weideland!
Auffällig: Der für etwa 1165 im Codex Falkensteinensis belegte alte Name des Samerbergs, nämlich „Rossoltesperge“, wird in der Forschung nicht direkt von „Hrossulza“ hergeleitet. Wolf-Armin Freiherr von Reitzenstein setzt hierfür in seinem „Lexikon bayerischer Ortsnamen“ (2006) den (allerdings nur erschlossenen) Personennamen „Rossolt“ an.
Der Name des Ortes Roßholzen selbst ist laut Meixner später in den Regesten aus dem Pfarrarchiv zu Prutting im Jahre 1363 als „Roßholz am Rossholtzperge“ überliefert. Dieser Eintrag würde aber eigentlich durchaus für einen direkten Zusammenhang zwischen Roßholz und dem Rossholtzperge sprechen. Auf jeden Fall liegen Verballhornungen vor, ganz gleich, ob -holzen irrtümlich aus sulza und -holtz irrtümlich aus -soltes entstanden ist.
Und der Name „Rosenheim“? Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Stadt per Hypothese als „Rosarum ager“ – Rosenfeld, -acker – gedeutet. Hiermit wurde daraufhin der Stadtviertelname „Am Roßacker“ identifiziert. Da der Roßacker aber 1172/73 als „Rosacher“ urkundlich belegt ist, „kann er nicht mit der Rose, sondern nur mit dem Pferd in Verbindung gebracht werden“, wie Wolf-Armin Freiherr von Reitzenstein im Band „Rosenheim. Geschichte und Kultur“ anmerkt. Oder aber doch mit der Flachsröste? Armin Höfer