Erl – War das Kabarett? Oder doch ein hochklassiges Konzertereignis? Egal: Was Aleksey Igudesman und seine jungen Mitstreiter unter dem Titel „Fasten Seatbelts“ im Festspielhaus Erl präsentierten, war in jedem Fall Musik auf höchstem Niveau – und ungemein vergnüglich obendrein. Denn wann erlebt man es schon einmal, dass ein Klassik-Publikum mitklatscht und der Hauptakteur einen Breakdance aufs Parkett legt, um am Ende unter frenetischem Jubel sich mit den Händen vom Boden abstoßend die Beine in die Höhe zu drücken? Das erlebt man mit dem Geiger, Komponisten und Wahl-Wiener Aleksey Igudesman.
Ursprünglich aus Sankt Petersburg („Ich wurde dort in sehr jungen Jahren geboren“) wanderte er als Kind mit seinen Eltern nach Bremerhaven aus, besuchte in England die renommierte Yehudi-Menuhin-School und studierte am Konservatorium in Wien.
Dies alles war Thema in den Zwischenmoderationen, in den Igudesman mal mehr, mal weniger amüsant aus seinem Leben erzählte und Witze über das Leben im sowjetischen Sozialismus und über russische Neureiche machte. Dazwischen spielte Igudesman von ihm bearbeitete Musikstücke, darunter Klassiker wie „La Cucaracha“ oder „Hava Nagila“, und vor allem etliche eigene Werke, viele inspieriert von seinen Reisen. Unterstützt wurde er dabei von Alexandra Tirsu an Geige und Viola. Später stießen noch die britische Multipercussionistin und Vibraphon-Spielerin Lucy Landymore und der Percussionist Ananda, ein Kanadier mit indischen Wurzeln hinzu.
Die Komik des Abends lag ganz eindeutig in den musikalischen Partien, in denen Igudesman einen hochvirtuosen Kasperl gab. Da scharwenzelte er etwa in seinem „Salsa de Luna“ geigespielend um Alexandra Tirsu herum, fabrizierte mit seinem Instrument einen anerkennenden Pfiff – so überhaupt nicht in Me-Too-Zeiten passend –, während ihm die Schöne im roten Schlauchkleid die kalte (Geigen-)Schulter zeigte und auf seine musikalischen Avancen nur musikalisch-kurzangebunden antwortete. Doch am Ende tanzten und spielten sie gemeinsam im Gleichschritt.
Zusammen mit Tursa spielte Igudesman auch Mozarts Rondo alla turca zunächst in Dur statt in Moll und setzte es einen Halbton tiefer. Als dann noch die beiden Percussionisten einstiegen, wurde aus Mozarts Musik ein wahrhaft orientalisch anmutendes Power-Stück mit fröhlich krächzenden Geigen und wilden Rhythmen.
Überhaupt ist Igudesman ein überaus einfühlsamer Komponist, der auf seinen zahlreichen Reisen viele musikalische Einflüsse aufgesogen und stilsicher in eigenen Stücken verwertet hat. So klang der „Kasach Song“ – Kopfstimmengesang inklusive – tatsächlich nach großer weiter Steppe und „Hear no Evil“ nach Japan.
Zum Finale gab es eine furiose kubanisch-indische „Rumba de Mumbai“. Es herrschte Jubel, Trubel, Heiterkeit im Festspielhaus. Das Publikum klatschte mit, antwortete auf den auffordernden Sprechgesang, und auf der Bühne gaben die vier Musiker dem Affen Zucker: Nach der Breakdance-Einlage folgten als Zugabe noch eine Irish Dance-Einlage – natürlich gleichzeitig die Instrumente spielend – und abschließend ein melancholisches Wiener Lied (Igudesman: „Um ein echter Wiener zu sein, muss man ein Wiener Lied geschrieben haben“). Er bot das Lied mit starkem russischen Akzent dar – über einem Fiakerkutscher, der seit 15 Jahren in der Donaumetropole lebt und gerne Schnitzel isst, aber noch immer nicht alsWiener gilt – schwermütiger Schlusston unter einem höchst vergnüglichen Abend.