Meditatives und Maschinen-Rhythmen

von Redaktion

Eröffnung des „Festivo“ mit Gidon Kremer und Kremerata Baltica in Hohenaschau

Aschau – „Vor Ihnen steht ein bescheidener, aber stolzer Festivo-Leiter“, erklärte Johannes Erkes bei der Eröffnung des 27. Kammermusikfestivals „Festivo“ in der ausverkauften Festhalle Hohenaschau. Erkes ist es gelungen, den großen Geiger Gidon Kremer und sein Kammerorchester Kremerata Baltica mit einem hochkarätigen, selten gespielten Programm zu präsentieren.

Kremer, der für Erkes eine wesentliche Inspiration für sein eigenes Kammermusikfestival gewesen ist, habe über die vielen Jahre den Weg vom fabelhaften Virtuosen zu einem eigenständigen Interpreten eingeschlagen.

Das Programm stand ganz im Zeichen von Komponisten der früheren Sowjetunion. Mit den „Fratres“ von Arvo Pärt versetzte die Kremerata Baltica das Publikum in eine mystische Stimmung. Ruhige Violinsoli und duftige Pizzicati verströmten in diesem Werk einen zarten melodischen Zauber.

Die Sinfonie Nr. 10 op. 98 des selten aufgeführten polnischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg übte auf die Hörer eine große Faszination aus. Weinberg, der als Jude vor den Nazis in die Sowjetunion fliehen musste und ein Bewunderer und Freund Schostakowitschs war, verarbeitete in seinen Stücken oft die Thematik des Krieges. In seiner 1968 komponierten Sinfonie wechseln durch melodische Tonalität gekennzeichnete ruhige, dahinfließende Passagen mit harten, dissonanten Einschüben.

Kremer entlockte seinem Instrument von den Streichern sanft umsponnene, kristallen-reine Tonfolgen. In der Canzona durchzuckten wilde Akkorde den ruhigen melodischen Fluss wie elektrische Schläge. Brillant spielte Kremer die Soli mit bizarren Trillern und Tönen, die förmlich die Luft zerschnitten.

Die Kremerata Baltica interpretierte das Werk mit großer Intensität. Auf minimalistisch reduzierte Themen folgten wie aus dem Nichts langsam aufsteigende Themen und Motive. Elegische Cellopassagen ergriffen die Hörer ebenso wie leise Pizzicati, die von einem gleichbleibenden hohen Ton im Hintergrund begleitet wurden. Hektisch-maschinenhafte Rhythmen und herbe Dissonanzen erinnerten gelegentlich an Weinbergs großes Vorbild Schostakowitsch.

Voller Anmut und Zartheit war nach der Pause die kurze Komposition „Flowering Jasmine“ von Georgs Pelecis. Von den Streichern umschmeichelte Xylophonklänge schufen einen hellen, fast ätherischen Klangzauber.

Mit Modest Mussorgskijs „Bilder einer Ausstellung“ für Streichorchester präsentierte die Kremerata Baltica ein ausdrucksstarkes und farbkräftiges Hörerlebnis. Nach dem klassischen Promenadenthema faszinierte im Bild „Der Gnom“ die unglücklich-groteske Fortbewegungsversuche eines Zwerges mit schleichend gegeneinander gerichteten chromatischen Auf- und Abgängen.

Graziös erklang das Bild „Die Tuilerien“, dynamisch anschwellend spielten die Streicher den dahinrumpelnden Ochsenkarren. Fahl leuchtende Streicherklänge und flimmernde Begleitfiguren bannten die Hörer in dem bizarren Bild „Die Hütte auf Hühnerfüßen“, in dem die russische Hexe Baba Yaga vorgestellt wird.

Im letzten musikalischen Bild „Das große Tor von Kiew“ verwandelten die Streicher die Thematik der Promenade in grandiose, klangmächtige Akkorde. Begeisterte Bravorufe und minutenlanger Beifall beendeten einen berauschenden Konzertabend.

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