Die Botschaft der Buhlschaft

von Redaktion

Für Valery Tscheplanowa ist nicht nur das rote Kleid ihrer neuen Rolle aufregend

Salzburg – Sie sei eine aufregende Schauspielerin mit großem Risiko. So Salzburgs vor zwei Jahren neuer „Jedermann“-Darsteller Tobias Moretti über seine diesjährige neue Partnerin Valery Tscheplanowa. Für die Laufbahn der gebürtigen Russin aus Kasan, die mit acht Jahren nach Deutschland kam und es zu einer der einprägsamsten Theaterdarstellerinnen brachte, ist die „größte kleine Rolle“, Hugo von Hofmannsthals Buhlschaft, etwas Kostbares.

Bei den 99. Salzburger Festspielen spricht sie, als Nachfolgerin von Stefanie Reinsperger, insgesamt 14-mal die berühmten kurzen 30 Sätze im „Spiel vom Sterben des reichen Manns“. Und ist damit die 34. Buhlschaft der bald 100-jährigen (Erfolgs-)Geschichte des schönsten Festivals der Welt.

Möglicher Rollentausch

So hochrühmliche Vorgängerinnen wie Marie Bäumer, Veronica Ferres, Senta Berger, Christiane Hörbinger und-und-und bis zurück zu Johanna Terwin (1920) im Rücken, schätzt die strahlende kleine Blonde mit den wachen Augen und dem liebenswürdig-fraulichen Wesen mit blitzgescheiter Ausstrahlung als ideales Liebespaar besonders das Duo Birgit Minichmayr/Nicholas Ofczarek (2010/12). Beide könnten, meint die genderbewusste Neue mit Hang zu Männerpartien, durchaus die Rollen tauschen: sie als Geliebter, er als Geliebte.

Kühn sind die Thesen, die aus der Tscheplanowa heraussprudeln, fein und diskutabel ihre Gedanken zu Rolle und Stück. Sie habe sich jahrelang nur mit schwerer Literatur – „Nie war ein Russe unter den von mir gespielten Autoren“ – beschäftigt. Davon konnte sie sich nun losmachen und sich als Buhlschaft allein dem Buhlen um den Jedermann widmen. „Ohne elektronische Verstärkung fliegt’s halt so schön über den weiten Domplatz hinweg: ,… Der Tod ist wie die böse Schlang, die unter Blumen liegt verdeckt, darf niemals werden aufgeweckt …‘“ Die Wirkkraft des Stückes sei stets diskussionswürdig. „Niemand kann sagen, der ,Jedermann‘ hat nix mit mir zu tun!“

Glück habe sie mit der Kostümbildnerin Renate Martin gehabt, die ihr ein „echtes Buhlschafts-Rot“, kein Tosca-Rot, kein Carmen-Rot, leuchtend, hell und nicht zu schwer, verpasst habe. Alle Welt weiß vom Seiden-Chiffon aus Berlin, 25 Meter Stoff, in sechs Schichten genäht, vorne ein langer Schlitz. „Das Rot steht für Sinnlichkeit, Liebe, Leben und auch Blut … Im Totentanz der schaurigen Tischgesellschaft sticht die Buhlschaft als das Leben hervor…“ In die Geschichte der berühmtesten „Jedermann“-Figur geht die Tscheplanowa aber als erste Buhlschaft ein, die eine Hose anhat, denn als zweites Kostüm trägt sie einen Einteiler: „Und der hat Rockstar-Qualität.“

Lob für den Text Hofmannsthals

Bei allen Novitäten werde sie oft auf die altertümliche Sprache in Hofmannsthals Text von 1919 angesprochen. Diesen aber lobt sie mit Nachdruck. Und sie singt ihn auch. Das „Bühnensingen“ – sie bringt Jedermann ein Ständchen – ermögliche ihr „ein kleines Aussteigen“.

Viel entschiedener geht sie auf die aufregende Botschaft ein, die Hofmannsthals „Jedermann“ verkünde. Ihn zu „entheiligen“, wie Modernisten fordern, kommt für die gläubige, weder der russisch-orthodoxen noch einer anderen Konfession Angehörende nicht in Frage. „Der ,Jedermann‘ ist und bleibe, bitte, ein geistliches Spiel!“, betont sie. Viel zu gut gebaut und geschrieben sei das Stück, als dass aus ihm das Christliche herausnehmbar wäre. Vieles stecke drin, das es zu bedenken gelte. Die Religion sei gerade für Salzburg und sein Festival so bedeutend, das ruhig noch mehr Mysterienspiele ins Programm nehmen sollte. „Der ;Jedermann‘ ist eine gute Predigt: witzig, stark, feierlich.“

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