Chiemsee – Das neunte Konzert der Herrenchiemsee Festspiele war mit „Parallele Welten“ überschrieben. „Gegensätzliche Welten“ wäre zutreffender gewesen. Es trafen Tschingderassabum-Musik und rhapsodisches Raunen aufeinander, krachender Beginn und subtiles Finale, Opernpomp und feinsinnig Symphonisches: Pomp and Rhapsody.
Die Dirigentin Ljubka Biagioni, die das Münchner Rundfunkorchester mitgebracht hatte, widmete dieses Konzert Enoch zu Guttenberg, dem Gründer dieser Festspiele und Vater ihrer Kinder, sie dirigierte auch mit dessen Dirigierstab. Ihre umarmend-inspirierende Art zu dirigieren erreichte auch die Geiger in den hintersten Reihen und schuf Intensität im größten orchestralen Lärm wie in intimsten Passagen.
Richard Wagners Oper „Rienzi“ zielt ins Maßlos-Grandiose, er wollte ja damit die „Grande Opéra“ von Meyerbeer übertreffen. Mit der Ouvertüre dazu begann das Konzert.
Ljubka Biagioni hatte Mut zum Pathos, ließ dem Orchester Zeit zu breiter Entfaltung des Gebetes des Rienzi an der Grenze zur Zerdehnung und entfesselte ungehemmte Klangwucht, die bisweilen wie ein Angriff auf die Hörgeräte so mancher Zuhörer wirkte.
Das berühmte, durch die NS-Zeit berüchtigte Schmetter-Thema in „Les Préludes“ von Franz Liszt nahm die Dirigentin eher schwungvoll-belebt als martialisch, in den lyrischen Themen brodelte es gefährlich. Die sehr guten Hörner konnten sich, von der immer aufmerksamen Dirigentin angeleitet, schön in Szene setzen, das Finale entfachte nochmal majestätisches Feuer.
Fein gearbeitet war die Schottische Symphonie von Felix Mendelssohn Bartholdy. Nach der rhapsodisch-getragenen, gleichwohl spannenden Einleitung herrschte pulsierende und belebte Bewegung in der Moll-Melancholie und gischtender Meeressturm. Quirlig-redselig begannen die Klarinetten den zweiten Satz, wie überhaupt die Holzbläser hervorragend aufspielten.
Zum Zentrum der Symphonie wurde das Adagio. Hier entwickelte Frau Biagioni feine dynamische Schattierungen und ließ das Orchester erzählen, singen und sinnend raunen: Sollen doch die schottisch-historischen Romane von Walter Scott Inspiration für diese Symphonie gewesen sein.
Deutlich stellte Ljubka Biagioni die fast monothematische Geschlossenheit dieser Symphonie heraus, groß entfaltete sie den Epilog in allsymphonischer Umarmungsfreude und endete in emphatischem „Maestoso“.