Wie war’s?

Stürmische Stimm-Attacken

von Redaktion

Besucheransturm beim Abschlusskonzert der vierten Masterclass im Schloss Neubeuern

Gotlind Doerner aus Neubeuern.

Neubeuern – Das Abschlusskonzert der Masterclass auf Schloss Neubeuern, die Kammersänger Oskar Hillebrandt schon zum vierten Male veranstaltete, war nichts für Freunde des zart-innigen Pianos. Hier galt stürmische Stimm-Attacke und volle Kehle, dass die Kronleuchter zu erzittern drohten. Der Publikumsandrang war so groß, dass viele draußen vor der Tür sitzen mussten und alles nur hören, aber nicht sehen konnten.

Ziel dieser Masterclass seien Verbesserungen der Gesangstechnik, der Präsentation und der Gestaltung, sagte Oskar Hillebrandt bei der Begrüßung, Mittel seien korrekte Atmung, freie Töne ohne Anspannung zusätzlicher Muskel, reine Aussprache der Vokale und klangvolle Formung der Konsonanten. Und wirklich konnte man bei fast jedem den Text genau verstehen und hören, wie aus der „klangvollen Formung der Konsonanten“ sich Gesangslinien ergaben.

Zehn Teilnehmer waren es, davon alleine vier Tenöre, Bekannte aus den letzten Jahren und Neulinge. Michael Doumas kennen viele aus seinen Auftritten in der „Erlesenen Oper“ in Rosenheim und in dem Gesangsensemble „Cantosonor“. Mit des Basses Grundgewalt, pathetischer Wucht und strömender Kantabilität sang er „O tu Palermo“ aus Verdis „Sizilianische Vesper“, mit düsterer Gewalt die Arie des grimmigen Hagen aus Wagners „Götterdämmerung“.

Auch Markus Herzog kennt man hierzulande, der aus Schloßberg stammt und ebenfalls bei „Cantosonor“ mitsingt. Er erntete große Ovationen: Mit schier unerschöpflicher Stimmkraft und mühelos erreichten Spitzentönen sang er die Gralserzählung aus Wagners „Lohengrin“ und dann geschmeidiger die Arie des Valentin aus „Margarete“ von Gounod.

Manfred Fink war auch im letzten Jahr dabei. Er eroberte jetzt die Frauenherzen mit tenoralem Schmelz und Glanz und mit Variabilität der Lautstärke in „Dein ist mein ganzes Herz“ aus Léhars „Land des Lächelns“ und mit großer Strahlkraft in der Arie „Recondita armonia“ des Cavaradossi aus Puccinis „Tosca“. George Humphry ist ein vollkommen fertiger Tenor, der eigentlich keine Schulung mehr braucht, wie seine Arie aus Wagners „Tristan“ bewies. Der Tenor von Yasushi Egawa ist zwar technisch ausgereift, bleibt in der Gestaltung aber farblos, auch wenn er zusammen mit Oskar Hillebrandt in dem Duett „Solenne in quest‘ora“ aus Verdis „Macht des Schicksals“ lebendiger wurde.

Bei den Damen übersteuerten Ayako Wada und Nahoko Nakagami so, dass deren Stimmen bisweilen aus dem Ruder liefen. Auch die Sopranistin Leyla Galek forcierte zu sehr, obwohl sie eine sympathische Bühnenerscheinung ist, die tanzt und sich natürlich auf der Bühne bewegt zu „Meine Lippen, die küssen so heiß“ aus Léhars „Giuditta“ – schön, aber dass hier überhaupt Operettenarien gesungen werden, die ja oft noch schwerer als Opernarien sind…

Chiaki Toga lieferte mit klarem Sopran eine hübsche dramatische Szene als puppig-automatenhafte Olympia aus Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“, die Oskar Hillebrandt immer wieder mit einem Riesenschlüssel aufdrehen musste.

Die stärksten Beifallsbekundungen erhielt Indira Singh. Die Sängerin überzeugte zuerst als Erda aus Wagners „Rheingold“ voll Verkündigungs-Furor mit erdhaft-warmem und tonwogendem Mezzosopran. Dann entfachte sie mit hochdramatisch entflammtem Feuer als Prinzessin Eboli aus Verdis „Don Carlos“ Begeisterungsstürme.

In allen Tonstürmen stoisch gut hielt sich Christoph Declara am Klavier, der fein und farbenreich spielte, die Atmosphäre der jeweiligen Opern-Arie sofort erfühlte und die Sänger behutsam mit seinem Spiel führte.

Abschließend sang Oskar Hillebrandt noch emphatisch die „Zueignung“ von Richard Strauß mit dem hier passenden „Habe Dank“, das er auf den Pianisten münzte, zusätzlich boten die vier Tenöre abwechselnd das „Nessun dorma“ aus Puccinis „Turandot“. Wohin zieht wohl Oskar Hillebrandt beim nächsten Masterclass-Abschlusskonzert, wenn der Spiegelsaal des Schlosses Neubeuern schon zu klein ist?

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