Rosenheim – Es passieren eigenartige Dinge im All: Ein riesiger Gasballon taucht auf und verschwindet wieder, lässt einen vergleichsweise schwachen Stern zurück. Gas-Trabanten entwickeln sich, wandern näher und entfernen sich wieder. Aus Sternenstaub sammeln sich Fusel, werden zu größeren Brocken, schließlich zu Felsenplaneten. Einer davon wird von einem riesigen Asteroiden gerammt, hat als Folge davon plötzlich einen Mond, eine stabile Lage im Raum und einen 24-Stunden-Tag. Wasser kommt aus der Tiefe des Weltalls per Asteroiden auf diesen Planeten, es entsteht eine Atmosphäre. Und irgendwann, nach schlappen 4,5 Milliarden Jahren oder so, regt sich etwas auf diesem Steinbrocken – ewig lange nur Einzelliges, dann etwas größer, und schließlich, 200 Millionen Jahre lang, gigantisch groß: die Saurier.
Eine äußerst unwahrscheinliche Geschichte sei das, „wie Rasierklinge auf Rasierklinge“, findet Professor Harald Lesch. Aber nur, weil das alles genau so und nicht anders gekommen ist, kann er, der prominente Astrophysiker und Naturphilosoph, das alles im Kultur- und Kongress-Zentrum erzählen, locker im Ton, kompetent und engagiert in der Sache, und stilvoll eingebettet in die kongeniale Musik von Quadro Nuevo & Guests.
Wobei das Ende der Geschichte, das Aussterben der Saurier nach einem Asteroiden-Einschlag vor 65 Millionen Jahren, bekanntlich nicht wirklich der Schluss und daher auch etwas beliebig war: Erstmals sollte es quasi im Vorprogramm einer Lokschuppen-Ausstellung eine spezielle Veranstaltung im Kuko geben, die Musik und Information verbindet – ein musikalisch-naturwissenschaftlich-philosophisches Experiment gewissermaßen.
Experiment geglückt? Ja und Nein. Wer vor allem wegen der Musik von Quadro Nuevo plus David Gazarov (Piano) gekommen war, dem dürfte es etwas viel Gequatsche von der Bühne gewesen sein. Und wer Harald Lesch hören wollte, hätte sicher gerne noch mehr über diese Erde, ihre Entstehung und ihre mögliche Zukunft erfahren – was Lesch offensichtlich auch gerne geliefert hätte, blieben doch mehrere seiner „Darauf-kommen-wir-später-noch-genauer“-Ankündigungen unerfüllt.
Andererseits: Mit dem Verstand ist die Geschichte, die Lesch erzählte, für Normalsterbliche letztlich sowieso nicht zu erfassen. Dank der Klänge von Francel und Co. war sie vielleicht ein Stück weit zu erspüren: In eher sphärischen, perlenden Klängen die ersten Milliarden Jahre dieser Erde, deutlich kräftiger, schwungvoller und irdischer dann nach der Pause, als es um Leben und (Saurier-)Tod ging.
Da passte es gut, dass Quadro Nuevo im aktuellen Album Volkslieder neu interpretiert. „Der Mond ist aufgegangen“ lieferte das Motiv für jazzige Interpretationen zur Mond-Entstehung. „Die Gedanken sind frei“ gab am Ende einen musikalischen Gedankenanstoß. Noch kann man die Geschichte der Menschen ja frei weiterdenken, so dass es – rein hypothetisch – auch einen anderen Ausgang geben könnte, als den von Lesch vorgetragenen. Der blickte in seinem letzten Beitrag aus galaktischer Distanz auf den blauen Planeten. Die Erde habe eigentlich alle Voraussetzungen gehabt für ein glückendes Leben, und doch habe es letztlich nicht geklappt. Der Grund diesmal: Ein „sozialer Asteroideneinschlag“ namens Mensch.