Oberaudorf/Seebach – „Ich mache nur noch meine eigene Musik, alles andere gibt es ja eh schon.“ Mit einem Augenzwinkern und ziemlich gelassen begeht Kirchenmusiker Hans Berger am heutigen Dienstag seinen 75. Geburtstag. Für ihn ist jeder Tag ein Geburtstag: „Das ist doch eine Freude, wenn man morgens aufstehen kann – nicht nur am Geburtstag, einfach jeden Tag!.“
Herr Berger, was machen Sie denn gerade?
In den letzten Wochen hat mich das Volksliederbüchlein „Dir zur Ehr’ mein Lied ich singe“ intensiv beschäftigt. Das Format ist so gewählt, dass es in eine Jackentasche passt. Jeder kann es mitnehmen – eine großartige Sache für alle Gottesdienstbesucher, Chorsänger und Organisten. Natürlich feile ich gerade an der Weihnachtsausgabe, die im Advent erscheint. Und dann bereite ich auch das Adventssingen im Rosenheimer Kuko am Sonntag, 22. Dezember, unter dem Titel „Heut tut sich auf das Himmelstor“ vor.
Volksmusik und Lieder für alle sing- und spielbar – das ist Ihr großes Anliegen.
Seit Jahren beschäftige ichmich damit, den Menschen Musik- und Liedgut unkompliziert nahezubringen. Nicht die große Festmesse steht im Mittelpunkt. Nein, mich fasziniert die Frage, wie man Menschen über die Musik und den Gesang grundsätzlich zusammenführen, aus ihnen das Beste herausholen kann. Beim Gottesdienst sollten die Gläubigen aktiv dabei sein. Wer singt und spielt, der betet schon.
Viele vergleichen Sie ja hinsichtlich Ihrer Musikalität und Originalität mit dem Müllner Peter von Sachrang.
Wirklich? Der Müllner Peter war in seiner Zeit eher ein Musiksammler, komponiert hat er nur vier Lieder. Ich bin tief beeindruckt vom musikalischen Nachlass des Sachrangers. Ja, das stimmt. Auch hier habe ich versucht, den Notenschatz allen zugänglich zu machen. In diesem Zusammenhang gelang es auch, die bayerisch-tirolerische Wallfahrt zur Ölbergkapelle in Sachrang musikalisch in seiner Nachfolge zu gestalten.
Apropos Nachfolge. Ihr Sohn Johannes Berger ist inzwischen ebenfalls Berufsmusiker und ein gefragter Cembalist, Organist und Leiter von Concerto München.
Der Johannes – da kann ich nur staunen, was der musikalisch drauf hat. Der ist inzwischen in einer anderen Liga unterwegs. Ich bin schon sehr stolz auf ihn. Schon als kleiner Bub war er fasziniert vom Orgelspiel. Weder meine inzwischen leider verstorbene Frau Rosi noch ich haben jemals Druck auf ihn ausgeübt.
Heimat – was löst dieses Wort in Ihnen aus?
Da muss ich nur in Seebach aus meinem Küchenfenster schauen, dann sehe ich zum Beispiel den Schwarzenberg, den Brünnstein. Da geht mir schon in der Früh erstmals mein Herz auf. Oder meine Bienen, wie fleißig die sind. Heimat bedeutet für mich aber nicht nur Schönheit der Landschaft, es bedeutet auch, sich vor Ort einzubringen. Ich habe zwar auf der ganzen Welt Konzerte gegeben und Musik gemacht. Am liebsten sind mir aber die Musikabende mit Menschen vor Ort, die es am meisten brauchen: etwa Krebskranke oder alte Menschen. Zwei- bis dreimal pro Woche spiele ich seit sieben Jahren ehrenamtlich im Seniorenheim St. Peter auf. Die Senioren singen aus Leibeskräften alte Lieder mit. Wenn das keine wahre Freude ist.
Ihre Bescheidenheit trotz weltweiter Erfolge – das ist es, was viele an Ihnen so schätzen. Woher nehmen Sie Ihre Kraft fürs Musikspielen, Komponieren, Dirigieren?
Ich bin im Glauben verankert. Das fördert zum einen meine Schaffenskraft immer wieder, zum anderen weiß man auch in dunklen Lebensphasen: Das ist jetzt nicht das Ende, geh‘ den Weg weiter. Außerdem ist jedes Konzert für mich ein Energieschub. So ging mir etwa der traditionelle Wiesngottesdienst eine Woche vor dem Oktoberfestbeginn in der Paulskirche in München sehr nahe. 800 Konzertbesucher haben meine selbst komponierten Lieder aus dem Liederbücherl für das Joppentascherl mit Herzblut mitgesungen – und das kleine Heft sogar mit nach Hause genommen. Wenn ich mir jetzt vorstelle, meine Lieder oder das traditionelle Liedgut wird in den Familien oder den Kirchenchören vor Ort gesungen: Genauso habe ich mir die Strahlkraft des Bücherls vorgestellt. Das berührt mich zutiefst. Das ist großartig!
Interview.: Eva-Maria Gruber